150 Jahre Beauty-Expertise aus Japan: Happy Birthday Shiseido
«Schönheit für die Ewigkeit» ist wirklich sehr ein selbstbewusster Slogan, ohne Frage. Beim japanischen Kosmetik-Unternehmen Shiseido allerdings scheint mir diese Ansage mit Blick auf den runden Geburtstag in diesem Jahr absolut passend, zumal ein 150. Jubiläum in der schnelllebigen Beauty-Branche tatsächlich schon fast einer Ewigkeit entspricht.
Vor allem ist dieser sagenhafte Meilenstein ein guter Grund, um hier auf sonrisa in das in vieler Hinsicht extrem spannende Universum dieses schönen Brands aus Tokio einzutauchen, wo ich vor vier Jahren einen Blick hinter die Kulissen werfen durfte – und Dir nun zur Feier des Tages nochmals die wichtigsten, lustigsten, überraschendsten und interessantesten Fakten über Shiseido zusammengefasst habe.
Shiseido: die Anfänge
Als im Jahre 1872 – also genau 100 Jahr bevor ich auf die Welt kam – ein gewaltiges Feuer das heute als Ginza bekannte Quartier von Tokio in Schutt und Asche legte, nutze die Regierung die Tragödie für einen Neuanfang und liess den Stadtteil vom britischen Architekten Josiah Conder und dem Ingenieur Thomas J. Waters im westlichen Stil wieder aufbauen: Mit mehrstöckigen Gebäuden aus Backstein, gepflasterten Strassen, Gaslampen, Trottoirs für Fussgänger und einem auf 27 Meter verbreiterten Boulevard, welcher zur ersten Flaniermeile in Japan wurde.
Unter den vielen neuen Geschäften in Ginza befand sich auch die erste, nach westlichem Vorbild konzipierte Apotheke eines gewissen Arinobu Fukuhara, der damit seinen Landsleuten erstmals in der Geschichte Japans eine Alternative zur traditionellen östlichen Medizin anbot.
Das ambitionierte Ziel des damals 23jährigen (man beachte das junge Alter!) Pharmazeuten bestand nach eigenen Aussagen darin, in seinem Geschäft (unten zu sehen aus dem Jahre 1919) «alles Gute der Welt zusammenzutragen und zur Entwicklung neuer Dinge zu verwenden», was durchaus auch als Kritik an der damaligen medizinischen Versorgung in Japan verstanden werden durfte.
Vor allem aber passte die moderne Vision des Jungunternehmers perfekt zum damals neu erwachten Interesse Japans für den Westen und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass schon bald die Elite des Landes zur Kundschaft von Arinobu Fukuhara gehörte.
Es war der Anfang einer phänomenalen Erfolgsgeschichte, welche die Beauty-Branche mit zahlreichen Innovationen bis heute prägt (mehr dazu später).
Shiseido: der Name
Statt die Firma nach sich selbst zu benennen, entschied sich Fukuhara für den Namen «Shiseido», der sich aus den alten chinesischen Schriftzeichen «Do», was so viel heisst wie «Haus» sowie «Shi Sei», was mit «wo alles geboren ist» übersetzt werden kann.
Die Worte, übrigens, stammen aus einem Gedicht des Buches von Yi Jing und bedeuten so viel wie «Preise die Tugenden dieser Erde, die neues Leben gibt und neue Werte schafft».
Da hat sich jemand viel vorgenommen, wie es scheint – und auch erreicht, wie wir wissen!
Shiseido: der erste Bestseller
Durch seine Arbeit als Chefpharmazeut des Marine-Spitals in Tokio wurde Arinobu regelmässig mit den Nachteilen der damaligen Zahnreinigungsmittel konfrontiert, die – hergestellt aus gebranntem Salz und Kalkstein – nicht nur abscheulich schmeckten, sondern aufgrund ihrer Pulverform gerade auf hoher See sehr oft verschüttet wurden.
Während mehreren Jahren tüftelte der studierte Pharmakologe darum an einer Formel für ein modernes Mittel für die Dentalhygiene herum, bis er 1888 die erste japanische Zahnpasta auf den Markt brachte. Der Erfolg liess trotz des relativ stolzen Preises nicht auf sich warten und Arinobu schaffte es mit seinem Produkt nicht nur ins japanische Lexikon, sondern auch auf den Radar der japanischen Bevölkerung.
Shiseido: das erste Kosmetikprodukt
Trotz des stetig wachsenden Interesses an westlichen Traditionen orientierten sich die meisten Shiseido-Kundinnen bei ihrer Beauty-Routine am landesüblichen Schönheitsideal, zu dem unter anderem ein stark weiss gepudertes Gesicht gehörte.
Genau hier sah der umtriebige Arinobu seine Chance, indem er genau 25 Jahre nach der Gründung von Shiseido mit Eudermine – der Name setzt sich zusammen aus dem griechischen Wort «Eu» für «gut» und «derma» für «Haut» – eine hochwertige Essenz zur Pflege der Haut nach dem Abpudern lancierte.
Blitzschnell entwickelte das nach Pfingstrosen duftende «rote Wasser» vom Geheimtipp der japanischen Oberschicht zum nationalen Kosmetik-Bestseller, da es sich für alle Altersgruppen und Hauttypen eignete. Und es noch immer tut, denn Eudermine ist immer noch erhältlich, auch wenn im Verlauf der Jahre natürlich nicht nur das Design der kultigen Verpackung, sondern auch die Formel mehrfach überarbeitet wurden.
Unverändert hingegen ist die Begeisterung der Japaner für das erste Kosmetikprodukt von Shiseido, das wegen seinen beruhigenden und befeuchtenden Eigenschaften so gut wie in jedem Badezimmer des Landes zu finden ist.
Shiseido: die wörtlich süsse Seite der Firma
Noch während seiner Zeit bei der japanischen Marine reiste Arinobu Fukuhara nach Amerika, von wo er nicht nur das Konzept des Drugstores – ein Ort, an dem es von Tabletten bis Kosmetika zu kaufen gab –, sondern auch einen Limonade- und Glacé-Brunnen mitbrachte (im Bild zu sehen), den er zehn Jahre nach der Gründung von Shiseido als zusätzliche Attraktion in der Apotheke installierte.
Um einen möglich authentischen Einblick in «the American Way of life» zu bieten, wurden die kalten Köstlichkeiten aus dem Soda Fountain in aus den USA importierten Eisbechern serviert: Sehr zum Entzücken einer immer grösser werdenden Kundschaft, so dass sich Arinobu Fukuhara aus Platzgründen 1928 gezwungen sah, die Maschine in einem anderen Gebäude unterzubringen.
Bald schon entwickelte sich der so genannte «Shiseido Ice Cream Parlor» zum beliebten Treffpunkt, wo Gourmets und Bohemians in ungezwungener Atmosphäre bei live gespielter Musik die verschiedenen Süssigkeiten auf der Karte geniessen konnten.
Heute wiederum sind es – für mich zumindest – die fast schon nostalgischen Vibes, welche meinen Besuch im 2001vom spanischen Star-Architekten Ricardo Bofill nachgebauten «Shiseido Parlor»-Haus zu einem Fest für alle Sinne* machten, das man sich bei einer Reise nach Tokio auf keinen Fall entgehen lassen sollte!
*das Dessert mit Soft-Ice nach einem Original-Rezept aus der Gründungszeit im Restaurant ist der Knüller!
Shiseido: das Logo
Eigentlich wollte Shinzo Fukuhara als Künstler im Bereich der Fotografie Karriere machen. Ganz andere Pläne hingegen hatte sein Vater Arinobu, der seinem drittältesten Sohn die Firma übergeben wollte. Also schickte er seinen künftigen Nachfolger ins Ausland nach New York zum Pharmazie-Studium, dem eine ausgedehnte Reise durch Europa folgte: Offiziell, um das Geschäft mit der Schönheit von Grund auf kennenzulernen und inoffiziell, um dem jungen Shinzo die Möglichkeit zu geben, seine künstlerischen Neigungen auszuleben.
Zurück in Japan und an der Spitze von Shiseido gründete Fukuhara Junior das «Design Department» mit einer Gruppe japanischer Künstler (grad hier auf Bild aus ca. 1920 zu sehen) , die eine Serie von Werbepostern im Stil des Pariser Jugendstils kreierten, um der Firma über Japans Grenzen hinweg eine optische Identität zu verleihen.
Auch das bekannte Kamelien-Logo – auf Japanisch Hanatsubaki genannt – von Shiseido entstand zu jener Zeit und basieren auf den Entwürfen von Shinzo persönlich.
«Als Beleg seiner Voraussicht und seines Talents hat das Logo mit seiner Schlichtheit bis heute alle Trends überdauert und wirkt immer noch ebenso modern wie zeitgenössisch, fernöstlich wie international», heisst es auf der Homepage von Shiseido über die Entstehungsgeschichte des Markenzeichens der Firma, das meiner Meinung nach in seiner Schlichtheit tatsächlich ein stilistisches Meisterwerk ist.
Shiseido: der Fanclub und andere Marketing-Geniestreiche
Wie sein Vater machte sich auch Shinzo Fukuhara einen Namen als Pionier. In erster Linie durch den Ausbau der Produktpalette im Beauty-Bereich, die er – als absolutes Novum für damals – unter anderem um farbige Gesichtspuder sowie eine Duft-Linie erweiterte, aber auch durch seine bisweilen fast schon visionären Marketing-Konzepte.
Ein Beispiel dafür ist der 1939 gegründete Kamelien-Club für Fans von Shiseido-Produkten, der mittlerweile mehrere Millionen Mitglieder hat und entsprechend Kult-Status geniesst. Um den Japanerinnen die Marke näher zu bringen, wurden unter Shinzo Fukuhara ausserdem ab 1933 junge Frauen aus gutem Haus zu so genannten Miss Shiseidos ausgebildet, die als Schönheitsberaterinnen den Brand im ganzen Land vertraten.
Shiseido: die Männer
MG5 – MG stand für «modern Gentlemen» hiess die erste komplette Beauty-Serie für Männer aus dem Jahre 1959, zu der neben Haar- und Hautpflegeprodukten bald auch noch Düfte gehörten.
Entwickelt für Männer mit einem aktiven Lebensstil wurde die Linie mit Schauspieler Giro Dan im James Bond-Look als Kampagnen-Botschafter inszeniert. Weil aber auf dem Bild auch eine Dänische Dogge zu sehen war, dachten viele Menschen, es handle sich um Werbung für Hundefutter…
Shiseido: Serge Lutens
Nach dem Krieg steigt Shinzo’s Neffe Yoshiharu im Alter von 22 Jahren in das Unternehmen ein. In dritter Generation sollte der Enkel von Shiseido-Begründer Arinobu die Firma weltweit bekannt machen.
Dafür holt er unter anderem das kreative Multitalent Serge Lutens an Bord, den er als Creative Director für Shiseido Europe einstellt – und ihm dabei die völlige Freiheit gibt.
«Eine Zusammenarbeit, die es der in jener Zeit international praktisch unbekannten japanischen Kosmetik-Gruppe ermöglicht, eine so kraftvolle visuelle Identität zu etablieren, dass der Konzern in den 80er und 90er Jahren weltweit zu einem der wichtigsten Marktakteure wird», beschreibt Serge Lutens mit für ihn durchaus typischem, aber eben auch absolut gerechtfertigtem Selbstbewusstsein seinen Einfluss auf die Geschichte Shiseidos in jener Zeit.
Shiseido: Beauty-Innovationen
Bei Shiseido, so heisst es in den Unterlagen zum Jubliäum, sehe man die Haut nicht als einen einzelnen Teil des Körpers, sondern eher als eine Kontaktstelle, die mit dem gesamten Körper und der Außenwelt verbunden ist. Aus diesem Grund konzentrieren sich gemäss Shiseido die Wissenschaftler:innen bei ihren Recherchen in den Labors auf die Interaktion zwischen der Haut und den drei essenziellen Systemen, die sie beeinflussen: das Immunsystem, das Nervensystem und das Gefässsystem.
Basierend auf den durch jahrelange Forschungsarbeiten gewonnenen Kenntnissen auf diesen Gebieten entstanden neuartige Technologien zur…
- Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte gegen Stressfaktoren von aussen (die ImuGeneration-Technologie, unter anderem enthalten im 2014 lancierten Pflege-Bestseller Ultimune)
- Verbesserung der Reaktivität der Haut (die ReNeura Technologie welche in fast allen Anti-Aging-Produkten von Shiseido vorkommt)
- Aufrechterhaltung sowie Aktivierung der Durchblutung der Haut (die Lifeblood Technologie)
… die mittlerweile auch viele andere Brands inspiriert haben.
Im Jahr 1985 produzierte Shiseido ausserdem nach eigenen Aussagen als erstes Unternehmen in Japan biotechnologisch gewonnene Hyaluronsäure in grossem Massstab zur Verwendung in der kosmetischen Industrie. Gerade mal Jahre später hat das Unternehmen «weitere neue Standards durch die Entwicklung von Super Bio-Hyaluronsäure gesetzt, einer Hyaluronsäure, die über die doppelte Feuchtigkeitsspeicherungsfähigkeit und eine optimale Hautaffinität verfügt und in der Essential Energy-Linie vorkommt».
Vorläufiger Höhepunkt sei MolecuShift Technology, welche inspiriert ist von ästhetischen Behandlungen und die es möglich machen soll, die volumengebenden Eigenschaften von Hyaluronsäure erstmals in der Kosmetik zu verwenden. Oder, um nochmals das Team von Shiseido zu zitieren: «Zum ersten Mal ist es mit den von uns entwickelten Bio-Performance Skin Filler-Seren möglich, hochmolekulare Hyaluronsäure in die Haut zu bringen und gleichzeitig ihre maximal hydratisierenden und aufpolsternden Eigenschaften zu nutzen – ein Novum in der Kosmetik. Beide Seren (Night Infill und Day Full Expansion) wirken synergetisch und schenken der Haut ab der ersten Anwendung ein jugendlicheres Aussehen».
Shiseido: Omotenashi
Damals wie heute bildet Omotenashi die Grundlage der Philosophie von Shiseido: Ein japanischer Ausdruck, der für Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft, Offenheit sowie Einsatz steht.
«Im Universum von Shiseido geht es darum, sich jederzeit und vollkommen auf die Bedürfnisse des Gegenübers einzustellen. Das gilt genauso für die Entwicklung neuer Produkten wie auch den Umgang mit Kunden, Kollegen, Geschäftspartnern oder Besuchern. Denn für Shiseido bedeutet Schönheit nicht nur gutes Aussehen, sondern das Engagement für ein umfassendes Wohlbefinden», erklärte unsere reizende Gastgeberin Hiroko vor vier Jahren über die Werte der Firma. Und fasste damit in Worte, was ich bei jeder Begegnung mit diesem Brand erleben darf, dem ich von Herzen zum runden 150. Geburtstag gratuliere!
Maja 2018-06-21 06:50:19 Reply
Wunderbares Portrait, ganz herzlichen Dank. Ich liebe japanisches Design, die Ästhetik der Werbeplakate ist Famos. 😊
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Katrin Roth 2018-06-21 17:54:36 Reply
Liebe Maja, ich habe zu danken - für Dein Interesse und Deine tolle Rückmeldung. You made my day! Liebe Grüsse, Katrin
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Viktor Roth-Mangold 2018-06-21 09:53:55 Reply
Habe den Bericht gelesen und finde ihn wunderbar. Man bekommt so richtig Sehnsucht nach Japan.
Mach weiter so.
Viktor
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Katrin Roth 2018-06-21 17:55:00 Reply
Lieber Viktor, ich danke Dir von Herzen! Liebste Grüsse, Katrin
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Susann 2022-09-19 21:03:03 Reply
wow mega
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