Hinter den Filtern: Neue Tipps zum lesen, hören und schauen
Von einem gnadenlos ehrlichen Influencer-Roman über einen Podcast mit schwierigen, aber unvergesslichen Hauptfiguren bis hin zu einer bissig-witzigen Agentur-Serie aus Berlin: In der aktuellen Ausgabe von «Lesen, hören und schauen» dreht sich alles um Geschichten, die hinter die Fassade blicken und dabei bestens unterhalten.




Lesen
Elle Grand: Out of touch
Nachdem ihr grosses Influencer-Idol Birdie Bay plötzlich in das Haus gegenüber einzieht, unternimmt die junge Fotografin Chloé alles, um näher an die scheinbar glamouröse Welt der Content Creators heranzukommen. Doch der Blick hinter die Kulissen offenbart eine Realität, mit der Chloé nicht gerechnet hat: Birdie wirkt zwar auf den ersten Blick perfekt, entpuppt sich aber als kompliziert und verletzlich. Die Sache spitzt sich zu, als Chloé den Instagram-Star Birdie in einem kompromittierenden Moment erwischt und diesen nicht nur per Kamera festhält, sondern wenig später unter einem Pseudonym auf Instagram veröffentlicht.
Besonders brisant: Während der Post viral geht und Birdies Ruf zerstört, entwickelt sich zwischen den beiden jungen Frauen eine Beziehung, die man als Freundschaft bezeichnen könnte, wäre da nicht die Tatsache, dass ausgerechnet Chloé der Grund für den Karriereknick der Mega-Influencerin ist. Geblendet vom Rausch der Aufmerksamkeit verstrickt sich Chloé immer mehr in Lügen und Intrigen. Es entsteht eine Dynamik, über die sie bald keine Kontrolle mehr hat…
Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten, aber so viel kann ich versprechen: «Out of Touch» von Elle Grand – hinter dem Pseudonym verbirgt sich übrigens die bekannte Content Creatorin Elvira Legrand, die genau weiss, wovon sie schreibt – ist eines dieser Bücher, die ich nicht aus der Hand legen konnte und deswegen mehr als einmal länger wach blieb als geplant. Elle Grand (Du kannst ihr via Instagram unter @ellegrandauthor folgen) bzw. Elivra Legrand schreibt pointiert, mit messerscharfen Beobachtungen, die das digitale Leben in all seinen Facetten greifbar machen. Die Spannung entsteht nicht nur durch zahlreiche überraschende Wendungen, sondern auch durch die psychologische Tiefe der Charaktere.
Am stärksten bleibt die Darstellung der Online-Welt: ein Ort voller Filter, Oberflächen und Inszenierungen, in dem sich Neugier, Ambition und moralische Fragen ständig überschneiden. Elle Grand schafft es, diesen Kosmos greifbar zu machen, ohne dabei den Blick für die Menschlichkeit der Figuren zu verlieren.
Im Total macht das «Out of Touch» zur perfekten Lektüre für alle, die sich gern in komplexe Figuren vertiefen, clevere Plot-Twists lieben und wissen wollen, was hinter den Filtern passiert.
Hören
Über den Büchererand: Never judge a book by its cover
Etwas vom Schönsten, das es für mich gibt, ist der Austausch mit anderen Booknerds. Entsprechend glücklich war ich über die Einladung ins Podcast-Studio von Orell Füssli, um dort mit Gastgebrin Sarah Christen – eine der begabtesten Moderatorinnen des Landes – über Bücher zu reden mit, sagen wir mal: eher schwierigen Hauptfiguren.
Gemeinsam haben wir am Beispiel der Romane «Yellowface», «The Herd», «Away with the Penguins» sowie «The Vanishing Half» darüber diskutiert, warum unsympathische Charaktere oft am längsten im Gedächtnis bleiben und wie sie einen durch ihre vermeintlichen Schwächen dazu bringen können, die eigenen (Vor-)Urteile zu hinterfragen.
Für mich ist die Kraft von Perspektivenwechseln der rote Faden all dieser Romane, die mir gezeigt haben, dass sich ein zweiter Blick eigentlich immer lohnt. Solltest Du Deinen Lesehorizont ein bisschen auszuweiten, wirst Du bei dieser Episode voll auf Deine Kosten kommen – und dabei vielleicht sogar die eine oder andere Figur entdecken, die man am Anfang fast unterschätzt hätte.
Schauen
Call my Agent – Berlin
«Call My Agent – Berlin» öffnet die Türen zu einer traditionsreichen Berliner Schauspielagentur, die nach dem Tod ihres Chefs kurz vor dem Kollaps steht. Seine potentiellen Nachfolger:innen müssen in der Folge nicht nur um die Zukunft der Firma kämpfen, sondern parallel dazu auch klar kommen mit Stars, die in jeder Folge mit neuen Empfindlichkeiten, kreativen Panikattacken und hochkarätigen Egos auflaufen.
Der grösste Spass der Serie liegt für mich in den prominenten Gastauftritten der deutschen Schauspiel-Elite: Moritz Bleibtreu, Iris Berben, Heike Makatsch oder Christian Ulmen spielen überzeichnete Versionen ihrer selbst und nehmen dabei ihr eigenes Image so lässig auseinander, dass man kaum weiss, ob es sich um Insiderhumor oder fein dosierte Selbsttherapie handelt. Dieser selbstironische Umgang mit dem eigenen Ruhm funktioniert wunderbar, weil er die Absurdität des Filmbusiness sehr glaubwürdig trifft und gleichzeitig einen Blick hinter die Kulissen verspricht, den man als Zuschauer:in dankbar annimmt.
Natürlich ist das Konzept der Serie nicht neu – das Original aus Frankreich geniesst schon lange Kultstatus–, aber die Mischung aus satirischem Blick auf das Agenturleben und den kleinen Eskalationen des Alltags ist auch mit Berlin als Kulisse absolut sehenswert, finde ich. Da wir selbst in Berlin gewohnt haben und ich mit der Stadt viele schöne Erinnerungen verbinde, bin ich vermutlich nicht ganz neutral, doch selbst ohne persönliche Nostalgie bleibt eine unterhaltsame Dramedy mit hohem Binge-Potential.
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