Es sollte eigentlich ein Interview über schöne Hände werden.

Weil schöne Hände sozusagen zum Kerngeschäft gehören von Annette Roeckl, die seit 2003 in sechster Generation in der gleichnamigen Handschuh-Dynastie Roeckl als Geschäftsführerin arbeitet.

Und im Verlauf dieser Zeit so viel erlebte, dass ihre Lebensgeschichte sich anhört wie ein spannender Roman. Mit einer unglaublich sympathischen Hauptdarstellerin, von der ich im Verlauf unseres Gespräches im neu eröffneten Roeckl-Store im Herzen von Zürich nicht nur einiges über schöne Hände lernte. Sondern – auch wenn das sehr platt tönt –, auch einiges über das Leben: Wie man es meistert, worauf es ankommt und welche Werte wirklich zählen.

 

 

Handschuh-Expertin Annette Roeckl ueber Stil, Beauty und wie sie aus Krisen lernt.

 

Annette Roeckl, schauen Sie allen Menschen zuerst auf die Hände?
Nicht nur, aber auch. Immerhin ist die Hand der individuellste Ausdruck nach den Augen – mit der Hand handelt man und man schafft etwas. Ich selbst habe starke Hände, die arbeiten können und das darf man auch gerne sehen. Leider nehme ich mir nicht immer genügend Zeit für eine Maniküre, obwohl ich das sehr schön finde.

 

Das können Sie ja leicht überspielen durch Handschuhe… Wissen Sie, wie viele Paar Sie genau besitzen?
Das könnte ich so nicht sagen, aber sind viele (lacht).

 

Handschuh-Expertin Annette Roeckl ueber Stil, Beauty und wie sie aus Krisen lernt.

 

Dabei heisst es in den Medien, dass Sie bis zu ihrem 20. Lebensjahr nie Handschuhe getragen haben…
… Ja, das wird gerne geschrieben und es stimmt auch. Als Jugendliche wollte ich mich abgrenzen, so wie das viele Teenager machen. Ich brauchte diesen Abstand damals, wobei diese Phase nicht sehr lange dauerte, da ich bereits mit Mitte 20 in die Firma eingestiegen bin.

 

War das schon immer der Plan oder hatten sie als Kind einen anderen Berufswunsch?
Nur einen? (lacht). Ich hatte diverse Traumberufe! Als ich noch ganz klein war, wollte ich  unbedingt Schwimmlehrerin werden, warum auch immer… Während meiner Jugend kam dann der Wunsch auf, mich in Südamerika für Strassenkinder zu engagieren und noch etwas später träumte ich von einer Ausbildung als Goldschmiedin, als Floristin oder als Schneiderin.

 

Die Verbindung von Handwerk und Kreativität faszinierte sie also schon lange.
Ja, das kann man durchaus so sagen. Trotzdem gab es zu keinem Zeitpunkt irgend eine Erwartungshaltung an mich, ich stand nie unter dem Druck meiner Familie und das machte meine Entscheidung sehr einfach, in das Unternehmen einzusteigen.

 

Gar nicht einfach war für Sie das vergangene Jahr, in dem die Firma in finanzielle Schwierigkeit geriet.
Das war hart für alle, richtig. Um das Geschäft zu retten, brauchte es einschneidende Massnahmen. So mussten wir uns unter anderem von acht Geschäften trennen und in diesem Zuge langjährige Mitarbeitende entlassen. Ich habe lange auf das beste gehofft, aber irgendwann reichte das einfach nicht mehr aus. In dieser Zeit habe ich gelernt, die Interessen des Geschäftes vor jene des Einzelschicksals zu stellen.

 

Wieso?
Weil sonst der Erfolg ausbleibt. Und der ist entscheidend für alle. Trotz dieser Einsicht fiel es mir vor allem am Anfang nicht leicht, immer das grosse Bild zu sehen. Meine Lernkurve in dieser Zeit war sehr steil und heute kann ich sagen, dass all diese Ereignisse auch ihr gutes hatten.

 

Zum Beispiel?
Wenn man ganz unten ist, muss alles hinterfragt werden. Diese nüchterne Analyse des Ist-Zustandes empfand ich schon bald auch als Chance für Neues.

 

Woher nahmen Sie die Kraft für all diese Veränderungen?
Ich bin ein Mensch, der nicht aufgibt, das habe ich von meinen Eltern gelernt. Sie haben mir vorgelebt, mit Optimismus, Hartnäckigkeit und Mut durch’s Leben zu gehen. Dazu gibt es einen Spruch, der diese Haltung gut auf den Punkt bringt: «Die Mitte der Nacht ist der Anfang des neuen Tages.» Oder anders gesagt: Wenn man ganz unten ist, kann man sich nach oben abstossen. Dazu bekam ich Hilfe von vielen Menschen, die an mich geglaubt haben, das gab mir ebenfalls unglaublich viel Kraft!

 

Reden Sie von der Familie, die Sie und die Firma während dieser Zeit finanziell unterstützte?
Ja, ohne diese Gelder hätte ich es sicher nicht geschafft. Ich bekam aber auch viel tatkräftige Hilfe, unter anderem von meinem Sohn, der – ungefragt, denn ich hätte ihn niemals gebeten – seine Weltreise unterbrach, um mir zur Seite zu stehen. Ausserdem hatte ich das unglaubliche Glück, dass damals zwei hervorragende Menschen in die Geschäftsleitung gekommen sind, die wie ich an die Firma glaubten und keine Angst hatten, etwas Neues zu wagen.

 

Handschuh-Expertin Annette Roeckl ueber Stil, Beauty und wie sie aus Krisen lernt.
Bild: Roeckl

 

Mittlerweile haben Sie den berühmten Turn-Around geschafft und die Firma wächst wieder. Worin sind Sie persönlich am besten?
(überlegt einen Moment). Ich glaube, ich kann gut eine Vision aufbauen und diese anschliessend mit einer Mischung aus Mut, Durchhaltevermögen, Nachhaltigkeit und Pragmatismus umsetzen. Auf das Tagesgeschäft bezogen sehe ich meine Stärken auch in meiner Kreativität, die sich in allen Bereichen vom Marketing über die Bildsprache der Kampagnen bis hin zur Gestaltung der Stores ausdrückt.

 

Dann trägt die Einrichtung des ersten Roeckl-Geschäfts in der Schweiz ihre Handschrift?
Natürlich, das war mir sehr wichtig – gerade hier.

 

Handschuh-Expertin Annette Roeckl ueber Stil, Beauty und wie sie aus Krisen lernt.

Handschuh-Expertin Annette Roeckl ueber Stil, Beauty und wie sie aus Krisen lernt.

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Warum legten Sie so grossen Wert darauf, das erste Roeckl-Geschäft in Zürich selbst einzurichten?
Die Schweiz ist ein interessanter Markt für uns, den wir stärker ausbauen wollen. Mit einem eigenen ROECKL Store zeigen wir den Kunden unser gesamtes Produktspektrum innerhalb unserer Markenwelt.

 

Damit nehmen Sie im Grunde schon die nächste Frage vorweg: Wann fühlen Sie sich erfolgreich?
Auf beruflicher Ebene: Wenn die Umsatzzahlen stimmen, wenn das Unternehmen gut läuft und wenn sowohl die Kundschaft als auch die Mitarbeitenden zufrieden sind.

 

Und im Privaten?
Da gibt es so vieles… Tolle Gespräche mit guten Freunden gehören sicher dazu oder eine gesellige Runde, bei der sich alle wohl fühlen. Erfolgreich fühlte ich mich aber auch heute Morgen, als ich noch vor dem Frühstück durch die Stadt spazierte bis zum See. Die Tatsache, dass meine Position und mein Leben mir solche Momente ermöglichen, macht mich sehr glücklich.

 

Wie schaffen Sie Raum für solche Augenblicke?
Indem ich versuche nicht nach allzu starren Regeln lebe und stattdessen meine Unabhängigkeit zu wahren. Vor zwei Jahren etwa war ich während eines zehntägigen Urlaubs ohne Handy unterwegs. Als Geschäftsführerin einer Firma ist das eigentlich ein so genannten No-Go, aber  wie ich das auch erwartet hatte, lief auch ohne mich alles gut weiter. Diese Erfahrung zeigte mir, dass wir uns alle oft viel zu ernst und wichtig nehmen.

 

A propos Reisen: Was haben Sie immer dabei, wenn Sie unterwegs sind?
Eine Lippenpomade und eine Handcrème – am liebsten von Dr. Hauschka oder Weleda, weil ich Naturkosmetik sehr gerne mag. Gepflegte Lippen und Hände sind mir sehr wichtig, da will ich auch unterwegs nicht darauf verzichten. Immer in meiner Reisetasche befinden sich ausserdem Handschuhe und einen Schal, natürlich beides von Roeckl – einerseits zum Schutz vor Kälte und andererseits, weil sie diverse Looks ermöglichen.

 

Handschuh-Expertin Annette Roeckl ueber Stil, Beauty und wie sie aus Krisen lernt.

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Haben Sie weitere Styling-Tipps?
Durch meinen Beruf habe ich gelernt, dass sich der persönliche Stil am besten durch den gekonnten Einsatz von Accessoires wie Taschen, Schmuck, Schuhe, Tücher oder Handschuhen unterstreichen lässt. Vor allem aber sollte man nur Dinge tragen, in denen man sich wohl fühlt und schön findet.

 

Wann finden Sie sich selbst am schönsten?
Wenn ich glücklich bin. Der beste Beauty-Tipp, den ich geben kann, lautet darum: mit sich selbst im Reinen zu sein.