All the world’s a stage – and New York is its highest pedestal.

«Die ganze Welt ist eine Bühne – und New York ist ihr höchstes Podest», sagte Shakespeare – oder würde es heute bestimmt so präzisieren, ist Kulturjournalistin und sonrisa-Gastbloggerin Susanna Petrin überzeugt, die sich in der Rubrik «Beautiful in New York» mit verschiedenen Menschen vor Ort über das Thema Schönheit unterhält. Heute zu Gast auf dieser Bühne: Osiris mit Isis, angetroffen auf der Highline bei Chelsea.

Kulturjournalistin Susanna Petrin befragt als sonrisa-Gastbloggerin in der neuen Rubrik "Beautiful in New York" die Menschen vor Ort, was sie unter Schönheit verstehen.
Kulturjournalistin Susanna Petrin befragt als sonrisa-Gastbloggerin in der neuen Rubrik "Beautiful in New York" die Menschen vor Ort, was sie unter Schönheit verstehen.

«Du bist doch sonst nicht so scheu», sagt mein Mann. Dabei ist Journalismus für mich das tägliche Überwinden genau dieser Charaktereigenschaft. In diesem Moment erst recht. Uns gegenüber sitzt ein buntes, mit massenweise Kaorimuscheln und silbernen Ketten behangenes Paar. Sie sehen fantastisch aus. Ich gebe mir einen Ruck und spreche sie an. Sie sind total locker, freuen sich sogar über das Interesse.

Wie heisst ihr? «Isis und Osiris». Meine Freude könnte nicht grösser sein. Nach gut drei Jahren in Ägypten bin ich erst kürzlich in die USA gezogen. Was habe ich da an Tempeln und Gräbern besucht! Und wen treffe ich hier in New York nun als erstes für diese neue Reihe an: Zwei ägyptische Götter! Isis, die Göttin der Wiedergeburt, und Osiris, den Gott der Unterwelt. Das erklärt auch, weshalb sie an Hals und Ohren die Anch-Symbole tragen, die aussehen wie «T»s mit Ösen obendrauf: altägyptische Symbole für das Leben und Weiterleben.

«Schönheit ist die Wertschätzung des Lebens», sagt Osiris, «und das Leben ist multidimensional: Es besteht aus so vielen Ausdrucksformen, und Schönheit manifestiert sich in dieser Vielfalt. Jedes Lebewesen ist schön auf seine eigene Weise.» Er zeigt auf Isis: «Schön ist auch die Liebe, die ich für diese Frau habe, und meine die Liebe zur Welt. Das sind schöne Gefühle.» Zur Schönheit des Lebens gehöre auch der Tod, sagt der Gott der Unterwelt.

Was macht Osiris beruflich? Er habe eine holistische Praxis in Brooklyn und er vertrete seine Community in einem lokalen Parlament, sagt er. (Später hilft alles Googlen nichts, ich kann ihn im Netz nicht ausfindig machen.)

Wir reden noch ein wenig weiter. Alsbald ist es Osiris, der hier die Fragen stellt. Wer ich sei, was ich mache? Wenn er eine zufriedenstellende Antwort bekommt, nickt er und sagt: «Understand and understood». Derweil ich mich sehr konzentrieren muss, um ihn auch zu verstehen, mit seinem Zahnstocher im Mund.

Am Ende unseres kurzen Gesprächs gibt Osiris mir eine Karte und heisst mich, seine Natelnummer zu speichern. Jetzt kann ich jederzeit den Anruf der Gott der Unterwelt bekommen.

Kulturjournalistin Susanna Petrin befragt als sonrisa-Gastbloggerin in der neuen Rubrik "Beautiful in New York" die Menschen vor Ort, was sie unter Schönheit verstehen.

Zur Autorin: Susanna Petrin lebt und arbeitet als Journalistin in New York. Sie hat ein Studium der Germanistik, Anglistik und Publizistik in Basel und Zürich abgeschlossen und als Redaktorin für diverse Zeitungen gearbeitet. Derzeit schreibt und produziert sie Beiträge unter anderen für die NZZ, die Nordwestschweiz, Deutschlandfunk, SRF – und neu auch für sonrisa. Schön findet sie Humor, Leidenschaft und guten Cappuccino zu einer realen Zeitung.

Kulturjournalistin Susanna Petrin befragt als sonrisa-Gastbloggerin in der neuen Rubrik "Beautiful in New York" die Menschen vor Ort, was sie unter Schönheit verstehen.