Glabella.

Das tönt nett, right?

Wie eines dieser Kinder, deren Eltern für ihren Nachwuchs «ganz bewusst einen Namen auswählten, den man nicht überall hört». Oder die charmant genuschelte Standart-Begrüssung in der Lieblingspizzeria («ciao bella!»).

Auf jeden Fall wäre ich niemals darauf gekommen, dass es sich bei diesem niedlichen Begriff um die anatomische Bezeichnung jener Region oberhalb der Nase handelt, wo sich bei mir im Verlauf der vergangenen Jahren eine extrem unniedliche Furche ausgebreitet hat: Eine Glabella-Falte, oder, wie es im Volksmund heisst: eine Zornesfalte. Was insofern ziemlich gut passt, weil allein ihr Anblick bei mir jedes Mal bis vor noch nicht allzu langer Zeit für richtig schlechte Laune sorgte.

Trotz des eigentlich hübschen Namens, der sich übrigens gemäss Wikipedia in Anspielung auf die «normalerweise haarlose Hautregion zwischen den Brauen» von «glabellus» für «glatt» ableitet, wie ich im Verlauf dieser Recherche herausgefunden habe. Und mir dabei kurz überlegte, ob sich die unliebsamen Falte allenfalls auch durch ein konsequentes Pinzetten-Embargo unter einer Monobraue à là Frida Kahlo oder Noel Gallagher kaschieren lassen würden.

Aber erstens fehlen mir die dazu nötigen Voraussetzungen in Form dichter Brauen und zweitens habe ich ja mittlerweile mit der ästhetischen Akupunktur – ein abschliessendes Fazit dazu folgt noch! – einen Weg gefunden, um die ungeliebte Ritze zwischen den Augen auf relativ natürliche Art sichtbar zu glätten.

Ausserdem, und darum geht es heute, bin ich wild entschlossen, Frieden zu schliessen. Mit den Folgen der Schwerkraft, den Zeichen der Zeit im Gesicht, den dünnen Fisselhärchen und was es meiner Meinung nach sonst noch alles zu optimieren gäbe.

Ich möchte, um es mal ganz zeitgemäss zu formulieren, mehr Selbstliebe praktizieren. Mich mit gewissen Tatsachen einfach abfinden. Wohl wissend, dass es sich dabei um ein ausgesprochen ambitioniertes Projekt mit ungewissem Ausgang handelt.

Unter anderem, weil es bei mir je nach Tagesform beschämend wenig braucht für die volle «bestehe ich eigentlich nur aus Falten und einer grossen Nase und warum zu Geier sind meine Beine so kurz?»-Krise. Ein Foto zum Beispiel, das mich nicht gerade von meiner besten Seite zeigt und darum nicht «grammable» ist.

So was kommt vor, immer wieder und manchmal macht mich das richtig fertig.

Gleichzeitig schäme ich mich dafür, wie wichtig mir solche Äusserlichkeiten sind, obwohl es meiner Ansicht nach in Bezug auf das Aussehen auch einige Gründe zur Zufriedenheit gibt bei mir: Über meinen Körper etwa, der zwar einige Dellen hat und ausserdem nicht rasend straff ist – war er übrigens noch nie –, aber immer noch locker in die Jeans aus meinen Studentenjahren passt. Über meine Haare, die zwar wahnsinnig fein, aber noch kein bisschen grau sind (danke, Mami, für diese Gene!). Über meine Haut, die zwar infolge des Alters mittlerweile nicht mehr glatt ist, aber, abgesehen von den üblichen Sauhund-Pickeln immer schön rein war. Über meine Poren, von denen ich nur aus der Theorie weiss, dass sie ein Ärgernis sein können. Über meine Brauen, die zwar nicht so buschig sind wie jene von Cara, aber trotz übler Zupfmassaker während meinen Teenager-Jahren keine Löcher haben.

Rein buchhalterisch ergäbe das grob geschätzt wohl eine schwarze Null. In der Realität hingegen überwiegt die Selbstkritik und ich sehe viel zu oft einfach nur die vermeintlichen Makel.

Natürlich könnte ich nun mein gelegentliches Hadern mit meiner Optik auf die Sozialen Medien abschieben. Auf den Druck, als Bloggerin in der heutigen Zeit nicht nur schreiben zu können, sondern bitte gefälligst auch gut auszusehen vor der Kamera, um sich mit Hilfe von perfekt inszenierten Bildern als altersloser Trendsetter auf Instagram & Co zu präsentieren. Weil die Anzahl der Follower und Likes dort – egal, ob gekauft oder nicht – vor allem für Firmen im Augenblick genau so viel zählen wie die journalistisch recherchierten Inhalte, die ich in sehr aufwändiger Arbeit für die beste Leserschaft aller Zeiten produziere.

Aber das wäre zu kurz gegriffen. In erster Linie, weil Social Media nicht die Wahrheit abbildet, wie zum Glück immer mehr begreifen. Zudem weiss ich – nicht zuletzt dank meines Alters und meiner Erfahrungen – nur zu gut, dass Schönheit kein Garant für Zufriedenheit ist und im übrigen andere Werte viel mehr zählen bei der Wahrnehmung eines Menschen. Eine starke Persönlichkeit etwa, Empathie, Toleranz, Humor, Charme, Selbstironie, Hilfsbereitschaft oder Leidenschaft, um hier nur ein paar Eigenschaften aufzuzählen, die in meinen Augen einen Menschen wirklich schön machen.

Und ja, das klingt alles total abgelutscht, ganz klar, aber gleichzeitig stimmt es halt auch, wie ich nach unzähligen Begegnungen mit offiziell schönen Menschen – was auch immer das heisst – bestätigen kann. Bei der australischen Instagram-Fitness-Queen Amanda Bisk etwa war es nicht ihr – in meinen Augen absolut perfekter – Körper, der mich nachhaltig beeindruckte, sondern ihre warmherzige Art. Das britische Model Poppy Delevigne wiederum habe ich vor allem als krass lustige Interviewpartnerin mit einem unglaublich ansteckenden Lachen und nicht als überirdisch schönes Model mit endlos langen Beinen in Erinnerung. Umgekehrt erlebte ich den Victorias-Secret-Engel Candice Swanepoel als relativ unspannende Frau, die zwar sehr professionell, aber nicht sonderlich herzlich ihren Job als Beauty-Botschafterin machte.

Der Ärger über meine Falte oder sonstigen Makel, um wieder darauf zurück zu kommen, geht darum nicht auf mein Umfeld zurück. Oder die Sozialen Medien. Oder meinen Job.

Denn die hohen Anforderungen haben nicht die anderen. Sondern ich. Niemand sonst.

Will sagen: Es liegt einzig an mir, wie ich mit meinen Ansprüchen an mein Äusseres umgehe. Ich allein habe es in der Hand, mich auch in diesem Bereich meines Lebens noch viel mehr auf das Positive zu konzentrieren. Ohne mich dabei zu vernachlässigen und, wenn es mich glücklich macht, sehr wohl auch mit auch mit Hilfe von Verschönerungsmassnahmen zur Selbstoptimierung. Wichtig ist einfach: den Fokus auf das Wesentliche zu behalten. Nämlich dass es mir unglaublich gut geht. Dass ich die meiste Zeit so richtig fest glücklich bin. Und dass man mir das in der Regel auch ansieht.

#gowiththeflaw, sag ich da nur!

 

 

 

 

 

Trotzdem – sorry, das wäre ein schöner Abschluss gewesen, ich weiss! – frage ich Dich:

Wie denkst Du darüber?

Warum sind wir mit uns selbst immer so viel strenger als mit anderen?

Wie wichtig sind Dir Äusserlichkeiten?

Was magst Du an Dir?

Wie weit würdest Du gehen im Namen der Schönheit?

Lass es mich wissen, ich bin schon sehr gespannt und freue mich auf eine angeregte Diskussion mit Dir!