Alles im grünen Bereich oder was?

«Clean Beauty» ist das Schlagwort der Stunde im Beauty-Universum, unter dem allerdings jeder Brand etwas anderes darunter versteht, weil es keine allgemein verbindliche Definition dafür gibt. 

Und ja, das wirft viele Fragen auf, die Naturkosmetik-Guru und BIOMAZING-Begründerin Anna Mandozzi im zweiten Teil des grossen Clean Beauty Guides (hier findest Du alle Begriffe im Zusammenhang mit Clean Beauty einzeln erklärt) beantwortet, bei der ich mich ganz herzlich bedanke für ihre fachliche Unterstützung! 

Im grossen Clean Beauty Guide auf sonrisa werden alle Fragen zu diesem komplexen von Expertin Anna Mandozzi beantwortet.

Was ist von Claims wie «frei von…» oder «ohne schädliche Inhaltsstoffe» zu halten?  

«Im Grossen und Ganzen leider herzlich wenig, zumal solche marketingstrategisch platzierten Schlagwörter keine Aussagekraft haben. Für Konsument*innen ist es darum zunehmend eine Herausforderung, sich bei den vielen unterschiedlichen Gütesiegeln und Zertifizierungen zurechtzufinden. 

Was die Sache zusätzlich erschwert, ist das mittlerweile weit verbreitete ‘Greenwashing’ im Sinne eines Vortäuschens darüber, wie ‘grün’ ein Produkt ist. Das passiert trotz ethischen Bedenken ganz bewusst als Marketing-Taktik, um die Umsätze anzukurbeln. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Hersteller, die unbewusst Greenwashing machen, weil sie selbst nicht gut genug Bescheid wissen über die Produktion ihrer Artikel und der darin enthaltenen Rohstoffe, da es sich um eine sehr komplexe Materie handelt. 

Das betrifft vor allem den US-amerikanischen Kosmetikmarkt, wo es – anders als in der Europäischen Union – nur eine sehr kurze Liste mit verbotenen Inhaltsstoffen gibt. Entsprechend gross ist dort das Bedürfnis nach Beauty-Produkten ohne schädliche Inhaltsstoffe.»

Der Hype um ‘Clean Beauty’ im Sinne von Kosmetika, die keine bedenklichen Inhaltsstoffe enthält, kommt also ursprünglich aus den USA und hat mittlerweile auch den europäischen Markt fest im Griff – daher ist es an der Zeit, den Konsumenten aufzuklären was das eigentlich heisst, und auch, was es nicht heisst.

Im grossen Clean Beauty Guide auf sonrisa werden alle Fragen zu diesem komplexen von Expertin Anna Mandozzi beantwortet.

Was genau ist unter dem Begriff «bedenkliche Inhaltsstoffe» zu verstehen? 

«Viele Brands, die nach eigenen Angaben Clean Beauty Produkte herstellen, machen eine Unterscheidung zwischen gesundheitsschädigenden und nicht-gesundheitsschädigenden Inhaltsstoffen. 

Das tönt zunächst sehr gut, die Schwierigkeit damit ist schlicht, dass jeder Brand selbst definieren kann, was als bedenklich und was als unbedenklich gilt. Das bedeutet, dass ich als Konsument*in am Ende erst recht wieder nachforschen muss was denn genau enthalten ist und wie die Stoffe wirken können. Ganz ehrlich gesagt: wenn mir als Konsument*in etwas an natürlicher Kosmetik liegt, kann ich mich schlicht nicht auf die Klassfizierung ‚Clean Beauty‘ verlassen.

Grob gesagt lassen sich Inhaltsstoffe in kosmetischen Produkten in folgende Kategorien unterteilen: 

  • Nachweislich gefährliche Inhaltsstoffe, zu denen es wissenschaftliche Studien gibt, welche die schädliche Wirkung auf den Körper belegen. 
  • Potentiell gefährliche Inhaltsstoffe, die im begründeten Verdacht stehen, gesundheitsschädigend zu sein, ohne dass das empirisch nachgewiesen worden ist. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass solche Studien immer mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden sind. Ausserdem lässt sich nur schwer nachweisen, welchen Schaden ein Stoff über eine längere Zeitspanne anrichten kann. Um einen Inhaltsstoff aber verbindlich als gesundheitsschädlich deklarieren zu können, braucht es die absolute Klarheit sowie ein Nachweis der Kausalität.
  • Bestimmte Inhaltsstoffe, die Allergien und/oder Reizungen auslösen können und darum per Gesetz nur in bestimmter Dosierung verwendet werden dürfen bei der Herstellung von Kosmetika. Aber Achtung: Viele dieser Inhaltsstoffe sind nicht per se schlecht, sondern vor allem bedenklich für Menschen, die darauf allergisch oder sehr sensibel mit einer Reaktion darauf reagieren.»

Wieso beinhaltet Clean Beauty auch synthetische Inhaltsstoffe?

«Weil nicht jeder Brand oder Clean-Beauty-Händler alle synthetischen Inhaltsstoffe per se als gesundheitsschädlich einstuft. Oder weil bestimmte Inhaltsstoffe erst ab einer höheren Dosierung als bedenklich eingestuft werden. Ein Beispiel dafür ist Retinol, das in der synthetischen Form auch von «Naturkosmetik»-Brands eingesetzt und verteidigt wird. Wenn man mich fragt, ist das nicht zu verantworten.»

Sind Tierversuche verboten bei Clean Beauty?

«Grundsätzlich ist es in der EU seit 2009 verboten, kosmetische Produkte oder Inhaltsstoffe an Tieren zu testen. Mit anderen Worten: Europäische Produkte – egal ob Clean Beauty oder nicht – sind tierversuchsfrei. 

Kosmetika, die vor dem Erlass dieses Gesetzes getestet wurden, dürfen aber weiterhin auf dem Markt bleiben, ohne dass die Hersteller das deklarieren müssen. Besonders spannend: Das Bewerben von Produkten mit dem Schlagwort ‘tierversuchsfrei’ ist untersagt, um einen ungerechten Wettbewerbsvorteil zu vermeiden. Trotzdem wird es nach wie vor gemacht und auch ganze Retailer verschreiben sich zum Beispiel einem «100 Prozent tierversuchtsfreien Sortiment» – auch das täuscht die Kunden in meinen Augen.»

Ist Clean Beauty automatisch vegan? 

«Nein, überhaupt nicht – so wie übrigens auch Naturkosmetik nicht automatisch vegan ist.

In der Realität sind viele Clean Beauty Produkte auch vegan, das heisst sie enthalten keine tierischen Inhaltsstoffe. 

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte aber die INCI-Liste gut lesen, da Rohstoffe wie Bienenwachs, Wollfett oder andere tierische Inhaltsstoffe für die Gesundheit unbedenklich sind und darum in Clean Beauty Produkten sowie auch in Naturkosmetik vorkommen können. Hilfreich für Veganer*innen sind ausserdem spezielle Zertifizierungen wie Leaping Bunny, Vegan-Blume oder andere Siegel, die ein Produkt als vegan ausloben.»

Kann man davon ausgehen, dass Clean Beauty Produkte auf fairem Handel stammen?

«Einmal mehr: Leider nein.

Für die faire Gewinnung von Rohstoffen kann man auf das Fairtrade- oder eine Biozertifizierung der einzelnen Rohstoffe achten. Dort werden gewisse Basisbedingungen überprüft. Das erkennt man auf den Siegeln auf der Verpackung eines Produktes.

Was viele nicht wissen ist,  dass eine Naturkosmetikzertifizierung des gesamten Produks nicht ausreicht. Denn die Hersteller können auch dann ein Produkt als Naturkosmetik zertifizieren lassen, wenn es keinen einzigen Bio-Rohstoff enthält – und konventionell gewonnene Rohstoffe entsprechen nur in Ausnahmefällen den Fairtrade-Bedingungen.»

Inwiefern ist Clean Beauty nachhaltig? 

«Hier ist alles möglich.

Es gibt nachhaltigere Clean Beauty-Produkte und solche die es überhaupt nicht sind.

Grundsätzlich gibt es allerdings in der ganzen Beauty-Branche immer mehr Bestrebungen, Verpackungen aus nachhaltigeren Materialien zu produzieren. Vor allem die grösseren Konglomerate sind da ganz vorne dabei, und das ist eine gute Tendenz!

Insgesamt geht also der Trend hin zu Less Waste oder im Idealfall Zero Waste, wobei man das wieder von Produkt zu Produkt einzeln betrachten muss.»

Clean Beauty: Vorteile und Nachteile?

«Im grossen Bild gesehen ist die steigende Nachfrage nach möglichst ‚reinen‘ Kosmetikprodukten eine positive Entwicklung – nicht zuletzt für die Umwelt sowie das soziale Wohlergehen von Lieferant*innen und Produzent*innen.

Es zeigt, dass die Konsument*innen nicht mehr länger einfach alle Werbeversprechen glauben und vieles in Frage stellen, was bis vor kurzem noch einfach hingenommen wurde. 

Leider ist die Materie oft derart komplex, dass man als Laie schnell den Überblick verliert. 

Ich persönlich finde, dass der Begriff ‚Clean Beauty‘ darum für die allermeisten Menschen – auch jene, die in der Branche tätig sind –, zu wenig aussagt und nichts bringt, sondern im Gegenteil nur noch mehr Fragen aufwirft. Mir scheint es daher viel sinnvoller, die Sachen ganz einfach beim Namen zu nennen. Ich kann ja zum Beispiel ganz einfach sagen ‘Produkt x enthält keine synthetischen Duftstoffe’ und dann ist im Grunde alles klar.

Eine klare, deutliche und einfach verständliche Kommunikation der relevanten Informationen steht für mich im Zentrum und da greift der Begriff ‚Clean Beauty‘ leider viel zu wenig weit.

Die Recherche, ob ein Produkt wirklich und absolut nachhaltig, unbedenklich und gut ist, bedeutet einen sehr grossen Aufwand und ist kein leichtes Unterfangen. Aber es lohnt sich! Und es ist auch der Grund warum wir mit BIOMAZING so wahnsinnig viel Aufklärung und Informationen leisten – denn das Thema liegt uns am Herzen!»

Im grossen Clean Beauty Guide auf sonrisa werden alle Fragen zu diesem komplexen von Expertin Anna Mandozzi beantwortet.