Es ist eine stolze Zahl: Sieben Milliarden Euro, heisst es, gibt Unilever aus für Marketing – pro Jahr, wohlverstanden.

Die genaue Aufteilung des Budgets ist mir nichts bekannt, aber es steht ohne Frage fest, dass Unilver einen Teil dieses Budgets auch für so genanntes Influencer-Marketing ausgibt.

Mit anderen Worten: Unilever delegiert bei gewissen Kampagnen –so wie übrigens fast alle grossen Verbrauchsgüter-Hersteller – die Vermarktung von Produkten an Menschen mit vielen Abonnenten auf Social Media, die dort gegen Bezahlung für die Marken von Unilver werben (zu dem im Beauty-Bereich unter anderem Brands wie Dove, Tigi, Axe, Hourglass, Dermalogica, Living Proof gehören).

Als Regel dabei gilt: Je höher die Anzahl der Abonnenten, desto höher das Honorar der Influencer.

So weit, so gut.

Oder auch nicht, da es sich bei den Anhängern dieser Influencer zum Teil nicht immer um echte Fans handelt, sondern um falsche Accounts oder gekaufte Follower handelt, die man mit wenigen Klicks für erstaunlich wenig Geld kaufen kann.

Um das Vertrauen seiner Konsumenten nicht zu verlieren, will der Unilever-Marketingchef darum nach eigenen Aussagen die Zusammenarbeit mit Influencern beenden, die sich Follower gekauft haben.

Dafür gab es viel Lob und auch ich finde die Entscheidung von Unilever grundsätzlich sehr gut.

Trotzdem lohnt sich der Blick auf das ganze Bild bei dieser Geschichte, wie der Artikel meiner hoch geschätzten Blogger-Kollegin Jane von British Beauty Blogger über die Mechanismen über Followers und Likes im Influencer-Business zeigt, den ich hier in sehr gekürzter Form und sehr frei für Dich übersetzt habe.

 

Der Blick hinter die Kulissen des Influencers Business zeigt: It's copmlicated... Auf sonrisa gibt es eine Analyse dazu.

 

«Gut eine Woche ist es her seit der grossen Ankündigung von Unilever. ‚Wir müssen jetzt dringend Maßnahmen ergreifen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, bevor es für immer weg ist‘, sagte der Unilever-Marketingchef Keith Weed gegenüber der Publikation ‚the Drum‘. Dem stimmten viele Konzerne zu, die sich gleichzeitig fragten, wie es überhaupt zur Zusammenarbeit mit Influencer kommen konnte, von denen verblüffend viele einen verblüffend grossen Teil ihrer Fans gekauft haben.

Was mich in dieser Beziehung aber wirklich sehr erstaunt: Dass die meisten Firmen nicht begreifen, dass sie die Ursache sind dafür.

Meine Seite British Beauty Blogger feiert in diesem Jahr das zehnjährige Jubiläum und ich habe entsprechend erlebt, wie sich der Einfluss von Influencern, aber auch von den grossen Beauty-Marken verändert hat.
Ursprünglich entstanden Blogs nämlich aus Leidenschaft für ein Thema: Es waren Herzensprojekte, in welche die Blogger viel Zeit investierten – aus Freude an der Sache und ohne finanzielle Hintergedanken.

Ein Blog war, wenn man so will, zumindest am Anfang ein Leidenschaftsmodell und kein Business-Plan.

Aufgrund der grossen Erfolge gewisser Blogs witterten umtriebige Unternehmer aber schon bald das grosse Geld. Die ersten so genannten Talent-Agenturen kamen auf, die ihre Dienste als Vermittler zwischen Bloggern und Brands anboten.

Plötzlich wurden Blogs zu einem Geschäftsmodell, mit dem sich viel Geld verdienen liess.

In der Folge entschieden sich viele grosse Beauty-Brands zum Einstieg in den digitalen Markt – nicht zuletzt, weil sie auf diese Weise die Kontrolle über unabhängigen Stimmen auf online-Publikationen erlangen konnten. Bis zu diesem Zeitpunkt ging es nämlich auf den meisten digitalen Plattformen um ehrliche Produkte-Bewertungen oder um Anleitungen für Beauty-Looks.

Seit allerdings die grossen Kosmetik-Multis auf diesem Feld mitmischen, bestehen die Inhalte auf vielen dieser Plattformen zum grössten Teil aus gekauften Beiträgen von Beauty-Firmen, die mit diesen bezahlten Texten und Bildern nur ein Ziel haben: den Umsatz ankurbeln.

Wenig später tauchte eine weitere Art von Agenturen auf: Die Social-Media-Agenturen verwalten das Marketing-Budget einer Firma für den digitalen Markt und entscheiden über Kooperationen mit Influencern. Etwa zur gleichen Zeit erschienen auch Affiliate-Agenturen, welche den Bloggern eine Beteiligung von den Verkäufen über ihre Kanäle anboten.

Langsam, aber sicher wurde die Öffentlichkeits- und Pressearbeit im klassischen Sinne durch Marketing ersetzt.

Mittlerweile lebt eine ganze Industrie von diesem Geschäft und so ist es nicht weiter erstaunlich, dass Influencer unter dem Druck der grossen Marken ihre Fans kaufen und/oder die Statistik manipulieren.

Wie das geht?

Zum Beispiel mit riesigen Facebook-Gruppen, deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen, indem sie die Instagram-Beiträge der anderen liken und ihnen auf diese Weise zu einer grossen Reichweite verhelfen. Eine andere Möglichkeit, um die Zahl seiner Follower und/oder Interaktionen zu vergrössern, sind Roboter – so genannte Bots – die mehr oder weniger das gleiche machen.

Für neue Blogger oder solche, die auf organischen Wachstum setzen, wird es darum praktisch unmöglich, neue Fans zu gewinnen. Sie haben in der Folge so gut wie keine Chancen, die Anforderungen jener Firmen zu erfüllen, die eine bestimmte Anzahl an Followern voraussetzen für eine Zusammenarbeit – übrigens selbst wenn dabei kein Geld fliesst.

Ich bin darum der Meinung, dass die Marken die Verantwortung für das derzeit herrschende Chaos auf dem digitalen Markt übernehmen müssen.

Es ist für mich nicht akzeptabel, wenn ein Brand über Betrug im Influencer-Geschäft redet, ohne in diesem Zusammenhang die eigene Rolle zu hinterfragen. Dafür haben in der Vergangenheit schlicht zu viele Brands den Erfolg einer Kampagne mit Bloggern und Influencern ausschliesslich von Zahlen abhängig gemacht – ohne dass es irgend jemanden interessiert hätte, woher diese Follower und Likes überhaupt kommen.

Währen viele – die meisten sogar! – Beteiligte in diesem Geschäft alles richtig machen und entsprechend offen sind für klare Regeln, erhalten die grossen Beauty-Firmen nun langsam, aber sicher die Quittung für ihre Strategie im digitalen Markt. Es zeugt für mich von wenig Stil, wenn man nun die Schuld auf Influencer zu schieben – ein Begriff, übrigens, der von Vermarktungs-Profis und nicht von den Bloggern geschaffen wurde.

Zu guter Letzt möchte ich die Firmen an dieser Stelle einfach nochmals an jene Menschen – Kunden, Leser, Konsumenten – erinnern, die all diese Inhalte sehen und lesen: Sie sind es nämlich, die alles in Gang halten, also wäre es nichts als recht, man würde auch auf ihre Bedürfnisse eingehen

 

Der Blick hinter die Kulissen des Influencers Business zeigt: It's copmlicated... Auf sonrisa gibt es eine Analyse dazu.

 

Ergänzend zu Jane’s Analyse über die Entwicklung der Influencer-Branche – die ich als Dinosaurier nach fast zehn Jahren in diesem Geschäft genau so erlebt habe wie lovely Jane (deren Artikel Du wie gesagt im Original auf British Beauty Blog nachlesen kannst) – möchte ich hier mit einem grossen Dankeschön abschliessen:

Danke an alle Firmen, die mich und meine Arbeit als Journalistin nicht auf die (organisch gewachsene und darum vergleichsweise tiefe) Anzahl meiner Follower auf Social Media reduzieren. Die schönen Kooperationen und lieben Rückmeldungen zeigen mir, dass – langsam aber sicher – immer mehr Brands lieber auf professionell recherchierte und authentische Berichterstattung setzen statt auf irgendwelche Zahlen, die im Grunde gar nichts aussagen, weil man sie genau so leicht kaufen kann wie eine Packung Schoggi am Kiosk.

Danke auch an Jeroen van Rooijen, der mich zu meiner riesigen Überraschung und unsäglichen Freude in seinem Artikel auf Bellevue NZZ auf die Liste der «kompetentesten Lifestyle-Meinungsmacher der Schweiz» gesetzt hat.

 

Der Blick hinter die Kulissen des Influencers Business zeigt: It's copmlicated... Auf sonrisa gibt es eine Analyse dazu.