Mikrobiom-Revolution: Hautpflege-Insiderwissen zum Beauty-Trend, über den alle reden
Unfassbar, aber wahr: Es gibt sie wirklich, die Orte, an denen ganz unterschiedliche Gemeinschaften nebeneinander existieren. Ohne Streit und meist in schönster Harmonie. Ein schönes Konzept, das ganz nahe liegt – denn allein auf unserer Haut leben krass viele total unterschiedliche Bakterienkulturen zusammen.
«Alleine auf der Fläche eines Fünfräpplers befinden sich rund zwei Millionen und solcher Mikroorganismen. In Zürich – zum Vergleich – lebt rund eine halbe Million Menschen», ordnet Dr. Marie Drago ein, die sich als Begründerin der Marke Gallinée Microbiom Skincare auf die Entwicklung von Pflegeprodukten zur Unterstützung des Mikrobioms unserer Haut spezialisiert hat. «Es gibt sowohl gute wie auch schlechte Bakterien. So lange sich diese Kulturen die Waage halten – in der Fachsprache redet man von einer ausgewogenen Mikroflora – kann dazu beitragen, dass unsere Hautbarriere gestärkt wird und weniger anfällig für Entzündungen oder Irritationen ist», erklärte mir die studierte Pharmazeutin bei einem Beauty-Date in Paris unlängst, wo ich die Gelegenheit nutze, um von der Expertin mehr über diesen spannenden Trend in der Hautpflege zu erfahren, auf den immer mehr Brands setzen.
Bild Marie Drago
Das Thema «Mikrobiom» erlebt aktuell einen grossen Hype und entsprechend gross ist auch das Interesse der Beauty-Branche. Welches sind nach aktuellem Stand die wichtigsten Erkenntnisse der Fachleute?
«Obwohl es allgemein bekannt war, dass wir Mikroben im Darm haben, interessierte sich lange Zeit niemand dafür. Erst als DNA-Tests erschwinglich wurden, änderte sich das. Zuerst wollte man den Menschen sequenzieren, dann sagte man sich: ‘Wie wäre es, wenn wir uns unsere Mikroben anschauen?’ Basierend auf dieser Frage entstand im Jahre 2007 das so genannte Human Microbiome Project zur Erforschung des Mikrobioms auf der Haut. Seitdem haben sich die Techniken stark weiterentwickelt. Heute ist unter anderem wissenschaftlich belegt, dass…
- die Darmbakterien bei einer Vielzahl von entzündlichen Erkrankungen wie etwa Fettleibigkeit, Depression, Diabetes oder Morbus Crohn eine zentrale Rolle spielt
- Aknebakterien auf der Haut nicht per se schlecht sind. Einige Stämme haben nämlich eine antioxidative Wirkung und können die vorzeitige Hautalterung verlangsamen. Dagegen scheint Staphylococcus aureus sehr wohl für Ekzeme verantwortlich zu sein.
- das Darmmikrobiom die Haut sowohl positiv wie auch negativ beeinflussen kann
… und sich entsprechend um ein Forschungsgebiet mit riesigem Potential handelt, von dem wir noch viel hören werden.»
Was weckte Ihr persönliches Interesse am Mikrobiom?
«Vor rund 10 Jahren wurde bei mir eine Hautentzündung diagnostiziert, die durch eine Autoimmunreaktion verursacht wird und – nett ausgedrückt – nicht sehr hübsch aussieht. Der Fachbegriff für die Krankheit lautet Pyoderma gangrenosum, aber ich würde den Begriff lieber nicht eingeben bei einer Suchmaschine… Als Apothekerin und Betroffene wollte ich unbedingt der Ursache auf den Grund gehen – und stellte schnell fest, dass ein gestörtes Mikrobiom der Auslöser war dafür.
Durch eine spezielle Diät mit Pro- und Präbiotika bekam ich mittelfristig meine Krankheit in den Griff, doch meine Haut blieb reaktiv. Mir kam irgendwann der Gedanke, was wohl passieren würde beim Auftragen prä- und probiotischen Wirkstoffen auf der Haut.
Der Rest ist Geschichte: Ich ging zurück an die Universität, schloss meine Doktorarbeit über Hautprobiotika ab, liess diese patentieren und nutzte sie zur Entwicklung von Gallinée-Rezepturen.»
Jeder Mensch ist ein Planet. Die verschiedenen Mikrobiome (Haut, Bauchnabel, Darm, Nase etc) sind die Kontinente.
Dr. Marie Drago
Bei Ihrer Hautpflegemarke Gallinée Microbiome Skincare setzen sie auf Wirkstoffe zur Förderung des Gleichgewichts unseres Mikrobioms. Wie können wir sonst noch dafür sorgen, dass das Hautmikrobiom in Balance bleibt?
«Der erste Schritt ist der logischste: nicht zerstören, was bereits vorhanden ist. Unser modernes Leben ist sehr hart für das Mikrobiom: Wir waschen uns zu viel und mit zu aggressiven Produkten. Umweltverschmutzung, Stress sowie UV-Strahlen schädigen das Mikrobiom ebenfalls. Es geht also darum, die Hautbarriere zu stärken, damit diese die Feuchtigkeit in der Haut halten kann. Das begünstigt ein gutes Hautgefühl, sorgt für einen schönen Glow und beugt feine Linien vor.
Weil die Hautgesundheit immer ganzheitlich betrachtet werden sollte, spielt auch der Lebensstil eine grosse Rolle: Wenig Stress, eine ausgewogene Ernährung sowie ausreichend Schlaf haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unser Hautbild.»
Welches sind Ihre liebsten Tipps für ein gesundes Mikrobiom auf der Haut?
- Sich nicht zu viel waschen. Mit jedem Waschgang verlieren wir Bakterien, die vielleicht nie wiederkommen. Reinigen Sie die Haut mit ultra-milden Produkten, deren pH-Wert an die Haut und das Mikrobiom angepasst sind (pH5)
- Kein heisses Wasser verwenden: Die Haut und das Mikrobiom sind glücklich bei 25 Grad.
- Verzichten Sie auf Kosmetika mit Alkohol, antibakterielle Mittel oder Konservierungsstoffe. All diese Faktoren lassen nicht nur schlechte Bakterien verschwinden, sondern auch jene, die uns guttun.
- Nähren Sie das Mikrobiom von Innen mit Lebensmitteln, welche Präbiotika, probiotische Extrakte und Postbiotika enthalten. Zur Unterstützung der Darm-Haut-Achse empfehle ich ausserdem speziell darauf abgestimmte Nahrungsergänzungsmittel.
- Knuddeln Sie Ihre Haustiere regelmässig: Das bringt neue Bakterien und Vielfalt ins Mikrobiom.
«Gerade bei empfindlicher Haut gilt für mich: Weniger ist mehr. Statt etwas zu bekämpfen, sollten wir die guten Bakterien auf der Haut unterstützen. Hier wird noch viel passieren in den nächsten Jahren, wir sind erst am Anfang dieser Beauty- und Gesundheitsrevolution.»
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