«Der Name passt perfekt, weil er viel Lebensfreude ausdrückt»: Q&A mit Girlboss Sandra Fischer von Shea Yeah
Sie machte eine kaufmännische Lehre. Packte danach ihre Koffer, um die Welt zu entdecken. Verliebte sich nach der ersten Woche unterwegs in einen Zirkusartisten, mit dem sie fortan gemeinsam weiterreiste und dabei ihr Geld als Strassenkünstlerin verdiente. Kam zurück in die Schweiz. Arbeitete als Trainerin in einem Kinderzirkus. Trat dort zum Teil auch als Varieté-Künstlerin auf. Liess sich im Kloster Fahr von Nonnen zur Bäuerin ausbilden. Studierte anschliessend Tourismus an der Hochschule in Luzern. Bewarb sich nach dem Abschluss bei einer kleinen Webdesign-Agentur, wo sie das Online-Business von der Pieke auf lernte. Wechselte dann zu einer grösseren Non-Profit-Organisation, um Erfahrungen zu sammeln in einem grossen Unternehmen. Und ist dort nun schon länger als Marketing-Verantwortliche im Bereich Kommunikation tätig.
Mit anderen Worten: Aus dem beruflichen Werdegang von lovely Sandra Fischer könnte man locker einen spannenden Roman schreiben.
Weil das aber den Rahmen dieses auch so schon ziemlich langen Textes sprengen würde – okay, und weil ein solches Projekt ein paar Schuhnummern zu gross ist für mich… –, habe ich mich beim Interview mit der wunderbaren Sandra darauf konzentriert, über ihre Naturkosmetik-Firma Shea Yeah zu reden, die sie zwischen ihren beiden letzten beruflichen Stationen gegründet hat.
Nach vielen, ganz unterschiedlichen Jobs und Ausbildungen bist Du nun in der Beauty-Branche gelandet. Hättest Du je damit gerechnet?
Gute Frage… Irgendwie hat sich mein Einstieg in das Beauty-Business ganz organisch ergeben, wie schon vieles zuvor in meinem Leben. (Lacht).
Das musst Du mir genauer erklären.
Wenn man es ganz genau nimmt, begann die Geschichte von Shea Yeah bereits während meiner Ausbildung zur Bäuerin im Kloste Fahr. Ich habe von den Nonnen dort nicht nur viel gelernt über Heilkräuter, Gartenbewirtschaftung, sondern auch über die Herstellung von Tinkturen, Salben und Lotionen auf pflanzlicher Basis. Mich faszinierte dieses über mehrere Jahrhunderte überlieferten Wissen derart, dass ich schon bald meine eigene Kosmetika herstellte.
Hast Du damals schon die Produkte verkauft?
Nein, zu jener Zeit machte ich das alles nur für den Eigengebrauch. Inspiriert von den Heilkunden-Rezepturen aus dem Kloster entwickelte ich verschiedene natürliche Pflegeproduke auf Fettbasis mit selbst gemachten Pflanzenauszügen, alles ohne Wasser…
… und natürlich Shea Butter, oder?
Gar nicht, nein. Shea Butter hatte ich erst nach einer Reise nach Ghana auf meinem Radar. Dort kam es zu einem Aha-Moment, der später zur Gründung von Shea Yeah führte.
Was ist genau passiert?
Als ich kurz nach meiner Ankunft einen starken Sonnenbrand hatte, gab man mir Shea Butter zur Behandlung meiner Haut. Ich war total verblüfft über die Wirkung und begann noch in Ghana mit der Recherche über diesen Wirkstoff. Schnell wurde mir klar, dass Shea Butter eine tolle Alternative zu den tierischen Fetten ist, wie ich sie bisher verwendet hatte. Also decke ich mich mit genügend Shea Butter ein, um in der Schweiz neue Rezepte auszuprobieren. Eines führte zum anderen und schon bald hatte ich ein neues Sortiment von Produkten entwickelt.
War das der Start von Shea Yeah?
Indirekt ja. Zunächst habe ich das aber einfach so aus Spass an der Sache gemacht, weil mich das Experimentieren mit einem für mich neuen Wirkstoff reizte. Die Idee einer eigenen Produkte-Linie auf der Basis von Shea Butter kam erst später auf, nachdem ich mich vertieft mit der Produktion von Shea Butter beschäftigte und dabei auch auf die Schattenseiten dieses Geschäfts stiess.
Was meinst Du damit?
Die meisten Firmen beziehen nur die Shea-Nüsse in Westafrika – oft zu Dumpingpreisen, übrigens – und verarbeiten sie aus Kostengründen in Raffinerien irgendwo sonst auf dieser Welt zu Shea Butter. Für mich kam dieses Geschäftsmodell aus ethischen Gründen nicht in Frage und so suchte ich in Ghana nach einer kleinen Kooperative, wo die Shea Butter von Hand von den Frauen vor Ort hergestellt wird.
Läuft es bei dieser Kooperative ähnlich ab wie bei jener, die für The Body Shop die Shea Butter produziert?
Genau, Du warst ja in Ghana und hast gesehen, wie wichtig diese Form von Unterstützung ist für die Frauen dort. Ich finde es übrigens grossartig, dass ein globaler Beauty-Konzern wie The Body Shop handgemachte Shea Butter aus Ghana bezieht, obwohl das im Einkauf viel teurer ist als industriell hergestellte Shea Butter.
Das gleiche könnte man auch über Dich sagen. Gerade als Startup ist das Geld eher knapp bemessen, denke ich.
Klar, das stimmt natürlich, aber ich bin keine klassische Geschäftsgründerin, die mit einem Business-Plan vorab alles durchgerechnet hat und alles auf den ultimativen Profit anlegt. Während langer Zeit war das alles ausschliesslich ein Leidenschaftsprojekt, das ich dank meines festen Einkommens ohne Druck verfolgen konnte.
Wann und wieso fiel die Entscheidung, eine eigene Firma zu gründen?
Eigentlich per Zufall… (Lacht) Ich lancierte Shea Yeah als Onlineshop im November 2016 nämlich knapp nach meinem Ausstieg aus der Webdesign-Agentur, weil ich mein Wissen im Online-Bereich nicht verlieren wollte. Das alles passierte sehr spontan und sehr schnell, ich hatte am Anfang nicht einmal einen Namen für meine Firma.
Woher kommt der Name Shea Yeah?
Ach, das ist eine lustige Geschichte. Eigentlich geht der Name zurück auf meine Graphikerin in Südafrika, welche für mich das Logo meines Online-Shops machte. «Shea Yeah» war als Platzhalter gedacht, aber sie verstand das anders und machte daraus ein Logo. Im ersten Moment war ich natürlich etwas verdutzt, aber schon bald merkte ich, dass dieser Name perfekt passt zu meiner Vision, weil er so viel Lebensfreude ausdrückt und ich ihn ganz intuitiv eingesetzt habe!
Du arbeitest viel mit Frauen zusammen. Ist es für Dich als Unternehmerin in der Beauty-Branche von Vorteil, eine Frau zu sein?
Das kommt auf die Situation an. Geht es etwa um Dokumente und bürokratische Details in Ghana, ist es eher ein Nachteil, denn in diesem Bereich gibt es kaum Frauen. Viele Männer nehmen dies zum Anlass, um zu flirten statt über Geschäfte zu reden. Das würde einem Mann logischerweise nicht passieren.
In Bezug auf alles, was mit Shea zu tun hat, habe ich es als Frau dafür um einiges einfacher, weil das Geschäft mit Shea Nüssen wie bereits erwähnt nur von Frauen gemacht wird.
Ausserdem fällt es mir als Frau sehr leicht, auf die Bedürfnisse meiner überwiegend weiblichen Kundschaft einzugehen.
Alles in allem würde ich darum sagen, dass die Vorteile für mich überwiegen.
Welches waren für Dich bisher die grössten Herausforderungen seit der Gründung von Shea Yeah?
Da gibt es einige, wo soll ich da nur anfangen? (lacht herzhaft). Ich musste zum Beispiel bald mal lernen, mich nicht zu sehr von anderen beeindrucken zu lassen. Jedes Geschäft hat seine eigene Geschichte und entwickelt sich in seinem eigenen Tempo, das in meinem Fall verhältnismässig langsam ist, weil ich als Allrounderin im Moment noch das meiste alleine mache.
Gerade die Tatsache, dass alles nur von mir abhängt, kann bisweilen zur Belastung werden. Auf der anderen Seite habe ich dadurch die grösste mögliche Freiheit und das schätze ich sehr.
Welchen Fehler würdest Du heute nicht mehr machen?
Bei Shea Yeah ist alles von Hand gemacht und da stösst man als Allein-Unternehmerin irgendwann an eine natürliche Grenze. Ich kann nicht unlimitiert Produkte machen, irgendwann ist die Menge zu gross. Weil ich bei der Qualität aber keine Abstriche mache, werde ich darum schon bald einen Teil der Produkte in Ghana herstellen lassen. Für mich bedeutet das eine grosse Entlastung und für die Frauen in Ghana ein zusätzliches Einkommen.
Du hast also aus einem Problem eine Lösung gemacht…
… das kann man so sehen, ja, aber das war ein längerer Prozess. Ich musste lernen abzugeben und mich nicht zu sehr in irgendwelchen Details zu verlieren. Gerade als Startup ist es extrem wichtig, stets das grosse Bild zu sehen. Nur so kann ich mich wirklich auf das Kerngeschäft konzentrieren, zu dem mittlerweile nämlich auch noch Kurse in Naturkosmetik gehören.
Du scheinst endlos viel Energie zu haben… Ich finde das unglaublich bewundernswert, zumal die Beauty-Branche eher ein Haifischbecken als ein Streichelzoo ist, um das mal nett auszudrücken.
Das würde ich so nicht sagen. Und das, obwohl ich am Anfang ein paar schlechte Erfahrungen gemacht habe, weil ich zu vertrauensselig war und das ausgenutzt wurde. In jener Zeit liess ich mich schnell aus der Ruhe bringen von der Konkurrenz und fühlte mich oftmals bedroht durch andere Firmen, die ein ähnliches Konzept haben.
Ist das heute nicht mehr der Fall?
Mittlerweile nein, denn ich habe gemerkt, dass wir uns alle gegenseitig stärken. Je mehr die traditionell hergestellte Shea Butter zum Thema wird in der Beauty-Branche, umso besser ist das für jeden einzelnen in dieser Wertschöpfungskette. Wir als Konsumenten kommen in den Genuss eines tollen Rohstoffes und die Frauen in Ghana können ein über Generationen weitergegebenes Handwerk am Leben erhalten und haben eine Einkommensquelle. Gleichzeitig wird die Schönheit des afrikanischen Kontinents der Welt gezeigt.
Mich spornt es enorm an, mit Shea Yeah den Menschen eine andere Seite des Kontinents Afrika aufzuzeigen, der nichts zu tun hat mit den bekannten Klischees. Wir können alle noch viel lernen von den Leuten dort, vor allem von den Frauen.
Was hast Du persönlich gelernt von den Frauen in Ghana?
Gerade in der Shea Branche, die ja traditionellerweise Sache der Frauen ist, gibt es viele starke Persönlichkeiten, die immer direkt sagen, was sie denken und sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Wenn mal etwas nicht klappt, dann sagen sie einfach «never mind it» oder «let’s move on».
Der Mut, aber auch die Zuversicht dieser Frauen sind für mich unglaublich inspirierend, vor allem auch im Geschäftsleben.
Gibt es auch in der Schweiz irgendwelche Girlbosses, die Du bewunderst?
Ja, Bea Petri von der Schminkbar ist für mich ein grosses Vorbild, weil sie ihre Leidenschaft für Schönheit mit einem erfolgreiche Geschäftsmodell umgesetzt hat, in das heute auch viele Frauen in Afrika involviert sind. Genau das möchte ich auch mit Shea Yeah erreichen.
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