Wellness-Trend Waldbaden
Sie ist die Heldin des Tages: Journalisten-Kollegin Barbara Halter, die als Gastbloggerin für sonrisa ein spannendes Interview geführt hat mit Wellness-Unternehmerin Melanie Uhkötter über die von ihr entwickelten Waldbaden-Retreats. Und mir damit nicht nur ein bisschen Luft verschafft heute – es läuft grad einiges im Hintergrund –, sondern gleichzeitig auch einen wirklich interessanten Einblick in einen Wellness-Trend gewährt hat, der mir glaub’s grad in hektischen Zeiten wie jetzt ziemlich guttun würde.
Danke, Barbara!
«Wann warst du zum letzten Mal im Wald?
Nicht zum Joggen, Biken oder sonstigen Aktivitäten, sondern einfach: zum Sein?
Wie unterschiedlich Aufenthalte in der Natur sein können, ist mir durch Shinrin-Yoku richtig bewusst geworden. Man kann durch einen Wald rennen, die Kopfhörer im Ohr und die Uhr im Blick. Oder man lässt sich treiben: Spürt, wie sich der Boden unter den Füssen anfühlt, riecht am Moos oder lauscht dem Knacken und Rascheln im Unterholz.
Ich bevorzuge die zweite Art. Nichts gegen das Auspowern, das tut sicher gut. Nur ist es so, dass wir in unserem Alltag sowieso genug Aktion haben. Viele Menschen leiden unter Stress, einige werden krank davon. Was fehlt sind Momente der Achtsamkeit und das Wissen, wie man seine Anspannungen im Körper und Geist loslässt. Darum geht es beim Waldbaden oder Shinrin-Yoku, wie es in Japan heisst.
Auf Shinrin-Yoku gekommen bin ich letztes Jahr in der Saanewald-Lodge bei Gstaad. Dabei habe ich Melanie Uhkötter kennengelernt, die in der Lodge die Waldbaden-Retreats veranstaltet. Sie hat ein super Händchen inspirierende Leute zusammenzubringen. Das Team ihrer Retreats hat mich voll überzeugt. Vom Coach fürs Waldbaden über die Yoga-Lehrerin bis zur Köchin sind alle top. Die Lodge liegt etwas abseits, mitten in der Natur und man fühlt sich dort sofort wohl. Melanie kann übrigens auch fotografieren: Die Bilder im Beitrag sind von ihr.»
Melanie, du hast früher in der Luxushotellerie gearbeitet, bei den Waldbaden-Retreats zählen andere Werte als elegante Zimmer oder perfekten Service. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?
«Ich war grad gestern morgen im Wald, beim Spazieren bekommt man so klare Gedanken. Dabei habe ich über mein letztes Jahr in der Lodge und die Sterne-Hotellerie nachgedacht. In meiner Ausbildung ging es viel um Perfektion, wichtig war aber auch die Empathie. Dass man den Gästen richtig zuhört und mit ihnen Zeit verbring. Das ist für mich viel wertvoller als alles, was man so gemeinhin unter Luxus versteht. Was den Sinneswandel angeht: Viele, die in diesem Luxusbereich arbeiten, pflegen mit der Zeit diesen Lebensstil auch selber. Das habe ich nie gemacht. Ich finde es wichtig, dass man seinen Beruf auch privat lebt, insofern bin ich nun am richtigen Ort.»
Die Natur war dir immer schon wichtig?
«Auf jeden Fall. Ich bin auf dem Land in Norddeutschland aufgewachsen, Natur bedeutet für mich Heimat. Vielleicht nicht ganz zufällig lagen einige der 5-Sterne Hotels, in denen ich gearbeitet habe, abseits oder in Naturschutzgebieten.»
Wie bist du aufs Waldbaden gekommen?
«Die Saanewald Lodge war früher ein Hotel. Nachdem dieses geschlossen wurde, habe ich mit dem Besitzer lange überlegt, was wir hier im Sommer machen wollen. Zunächst standen Outdoorcamps oder Adventure-Wochen zur Diskussion. Ich mag beides, aber solche Aktivitäten in der Gruppe werden schnell mit Leistung verbunden. Ich erlebe das bei mir, wenn ich draussen in der Natur bin, meine Kamera dabeihabe und dann ständig nach dem perfekten Bild suche, statt mich treiben zu lassen.
Bei Shinrin Yoku, also eim Waldbaden gibt es keinen Raum für Druck von Aussen. Man schlendert einfach herum. Es gibt kein Ziel und das eröffnet die Möglichkeit, ganz bei sich zu sein.»
Wie wirkt Waldbaden? Was passiert dabei im Körper?
In Japan, wo das Waldbaden herkommt, wird Shinrin-yoku vom Gesundheitssystem als Methode anerkannt. Aus dem Ostasiatischen gibt es zur Wirkung einige Studien.
Beim Waldbaden wird das Stresshormon Cortisol und der Blutdruck gestärkt, die Immunabwehr gestärkt und die Produktion von Anti-Krebszellen angekurbelt. Hinzu kommen die positiven Auswirkungen auf die Psyche: die Leute fühlen sich ausgeglichener und stabiler, Angstgefühle verschwinden.
Eindrücklich ist auch, dass die Wirkung anhält: Wenn man auf achtsame Weise in den Wald geht, spürt man die positiven Effekte noch bis zu zwei Wochen danach.
Euch geht es mit den Retreats auch um Gesundheitsförderung. Wie erreicht Ihr dieses Ziel?
«Genau. Sie sollen nach den Retreats zudem Inputs und Ideen nach Hause nehmen, wie sie in ihrem Alltag konkret gegen Stress vorgehen können. Nadine, unser Waldbaden-Coach, hat darin viel Erfahrung.
Man muss zum Beispiel nicht jeden Tag drei Stunden in den Wald gehen, auch kurze, bewusste Aufenthalte in Parks sind förderlich. Man kann sich die Natur ausserdem auch nach Hause holen: Zum Beispiel indem man Kräuter auf dem Balkon zieht, saisonale Produkte in der Küche verwendet, auf Spaziergängen Wildblumen, Steine oder Moos sammelt oder natürliche, ätherische Düfte verwendet.
Kleine Veränderungen im Alltag haben oft grosse Auswirkungen. In unseren Wochen geht es viel um Selfcare: Wir haben eine tolle Köchin, die vor allem pflanzenbasierte Speisen zubereitet. Neben dem Waldbaden praktizieren wir täglich Meditation und Yoga, ebenso gibt es Workshops in Selbsthypnose und Kräuterkunde. Das Angebot ist breit, die Gäste und ihre Interessen sind ja auch ganz unterschiedlich.»
Hinter den Retreats steht der Verein Friends of Saanenwald. Ihr unterstützt Menschen, die sich eine Woche Retreat finanziell nicht leisten können. Wie funktioniert das?
«Wie haben diesen Sommer 96 Plätze. 29 davon sind durch die zahlenden Gäste und Spenden gesponsert. Menschen, die sich in schwierigen Situationen befinden – das kann zum Beispiel ein Burnout sein, gesundheitliche Probleme, kein Job – können sich bei uns melden. Es war uns von Anfang an wichtig, dass unsere Retreats nicht rein kommerziell sind.»
Barbara Halter ist Journalistin, Foodie und Mit-Begründerin des famosen Reise- und Vegi-Blog www.albertines.ch (unbedingt folgen!).
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