Drei Jahre ist es her, als wir der in Brooklyn wohnhafte Rachel Winard während einer Reise nach New York in ihrem Studio zum ersten Mal begegnet sind. Seither verbindet den bekennenden Schoggi-Fan («einem guten Stück Schokolade kann nie widerstehen!») und unsere Familie eine so schöne Freundschaft, dass sie ihre Presse-Tour durch Europa von vergangener Woche extra Tage unterbrach, um uns zu besuchen.

Zwei Tage blieb sie bei uns, in denen wir lange Gespräche führten. Über unsere ersten Star-Crushs («ich war ein riesiger Fan von Alissa Milano»), lokale Schokolade-Spezialitäten («von dieser Ovo-Schoggi muss ich ein paar Tafeln nach Hause mitnehmen, die schmeckt so gut!»), Katzen («Eure Lulu ist unglaublich zutraulich – und, ehm, ziemlich kräftig gebaut für ein Weibchen, kann das sein?»), Kosenamen aus der Kindheit («meine Eltern nannten mich Rew») und natürlich über ihre unglaublich spannende Lebenschgechichhe, die sie Dir hier grad selbst erzählt.

 

 

 

«Obwohl ich mittlerweile mehr Zeit in meinem Job verbracht habe als in allen anderen Berufen zuvor, gibt es immer wieder Moment, in denen mir mein ganzes Leben irgendwie surreal vorkommt. Niemals hätte ich mit einer Karriere als selbstständige Unternehmerin in der Beauty-Branche gerechnet, wieso auch?

Als Kind wollte ich zuerst die erste weibliche Richterin am Supreme Court und später professionelle Musikerin werden, was dann auch der Fall war. Bereits mit zwölf Jahren gab ich meine ersten Konzerte als Solistin, ich spielte Geige und war fest entschlossen, die Liebe zur Musik zum Beruf zu machen. Dass ich dabei stets auf die Unterstützung meiner Eltern zählen durfte, ist ein Privileg, für das ich unendlich dankbar bin. Meinetwegen zogen wir sogar von meinem Geburstort Las Vegas nach Seattle, wo diese besonders gute Geigen-Lehrerin wohnte, von der ich unterrichtet wurde.

Meine Kindheit war geprägt von Liebe, Disziplin und viel Freude am Leben, ich denke gerne daran zurück. Der wichtigste Ratschlag, den ich je bekommen habe, ist auch jener, den ich allen weitergebe, wenn ich nach Karriere-Tips gefragt werde: ‚Mach die Arbeit, die gemacht werden muss, denn im richtigen Leben kommt der Erfolg nicht über Nacht!’

Mit 17 Jahren verliess ich Kalifornien und zog nach New York, um meine Ausbildung als Musikerin am Musikkonservatorium Juilliard School fortzusetzen. Ich erinnere mich noch genau, wie es bei meiner Ankunft überall ganz grauenhaft roch, weil die Müllabfuhr streikte.

Trotzdem fühlte ich in New York von Anfang dieses Gefühl von Heimat, wie ich es vorher noch nie hatte, ich war endlich angekommen und das machte mich unendlich glücklich.

Gleichzeitig war es aber auch eine schwierige Zeit für mich aufgrund der krassen Konkurrenzsituation unter den Musikern. Die latente Missgunst machte mir schliesslich dermassen zu schaffen, dass ich meine Karriere als professionelle Musikerin aufgab, um nicht die Freude an der Musik zu verlieren. Stattdessen studierte ich Jura und arbeitete nach meinem Abschluss in einer grossen Kanzlei in New York.

Aber auch dort blieb ich nicht sehr lange, weil bei mir zu jener Zeit Lupus – eine chronisch entzündliche Autoimmunkrankheit – diagnostiziert wurde und ich mich in der Folge vielen neuen Herausforderungen stellen musste. Die Hautpflege zum Beispiel wurde über Nacht zum riesigen Problem für mich, weil ich plötzlich keine Produkte mehr vertrug. Es gab Momente, da führte allein der Kontakt meiner Haut mit Wasser zu unglaublichen Schmerzen, wie ich sie vorher noch nie erlebt hatte.

Aus dieser Not heraus begann ich damit, mich mit natürlicher Kosmetik zu befassen. Ich las alles, was ich finden konnte zum Thema Naturkosmetik, Ernährung, Heilpflanzen und Aromatherapie – vom Fachbuch bis hin zu alten Sagen über Kräuterhexen.

Gleichzeitig begann ich mit der Herstellung von eigenen Kosmetik-Produkten aus natürlichen Wirkstoffen, von denen ich hoffte, dass sie meine empfindliche Haut vertragen würde.

Eines der ersten Produkte war eine Seife, wenig später folgte das Serum und irgendwann produzierte ich nicht mehr nur für mich, sondern auch für begeisterte Freunde und Bekannte, was mich schliesslich dazu bewog, im Jahre 2009 unter dem Label Soapwalla einen eigenen Brand mit Naturkosmetik-Produkten zu lancieren.

Auf den Namen meiner Firma bin ich durch einen Freund in Indien gekommen, der mich Soapwalla nannte, was übersetzt so viel wie ‚Seifenmeister’ bedeutet.

Mir gefiel dieser Begriff so gut, dass ich mir gar keine Alternativen dazu überlegte. Die Umsetzung des Logos hingegen dauerte ein halbes Jahr, weil ich das Bild zwar genau vor Augen hatte und auch auf der Geige hätte spielen können, aber nicht wirklich in der Lage war, es der Grafikerin richtig zu beschreiben.

Geduld, das habe ich bald mal gelernt, ist eine wichtige Eigenschaft in meinem Beruf.

Die Suche nach neuen Lieferanten für Soapwalla etwa braucht viel Zeit, da ich alle ich persönlich kennen möchte und jeweils erst einmal besuche, um mich vor Ort von der Qualität der Rohstoffe zu überzeugen. Ebenfalls ziemlich aufwändig ist die Korrespondenz mit meiner Kundschaft, von denen sich viele mit Fragen an mich wenden. Dabei erfahre ich auch viel Persönliches wie etwa die Geschichte jener Frau, die wegen ihrer Endometriose seit jungen Jahren unter starken Bauchkrämpfen litt. Auf Empfehlung ihres Arztes kaufte sie sich irgendwann das Soapwalla Badesalz mit Ingwer, welches ihr bereits nach kurzer Zeit tatsächlich so viel Linderung verschaffte, dass sie nach einer gefühlten Ewigkeit zum ersten Mal wieder komplett schmerzfrei war.

Solche Rückmeldungen geben mir unglaublich viel Kraft, sie motivieren mich auch an lausigen Tagen an, einfach unbeirrt weiterzumachen mit Soapwalla.

Dabei fiel es mir lange schwer, Komplimenten von anderen anzunehmen, das musste ich erst einmal lernen, aber mittlerweile funktioniert das ganz gut, und zwar auf beide Seiten hin: Da ich von Natur aus eher schüchtern bin, kostet es mich nämlich ziemlich viel Überwindung, fremde Menschen anzusprechen und ihnen ein Kompliment zu machen. Dennoch versuche ich jeden Tag, auf diese Weise aus meiner Komfortzone auszubrechen, denn das, was ein einfaches Kompliment auslösen kann, ist einfach wunderbar.

Inwiefern ich von anderen Menschen tatsächlich so wahrgenommen werde, wie ich mir das wünsche – vertrauenswürdig, integer und als gute Freundin –, weiss ich nicht, aber allein die Tatsache, dass ich andere Menschen glücklich machen kann, ist für mich einfach nur grossartig. Dazu kommt natürlich auch die Freude über den kommerzielle Erfolg von Soapwalla, ganz klar.

Mittlerweile sind die Produkte von Soapwalla nämlich in über 30 Ländern erhältlich, Tendenz steigend.

Meine Vorbilder in beruflicher Hinsicht sind die Begründerinnen von Eileen Fisher und Patagonia, die jeweils ein globales Business aufgebaut haben, ohne dabei Kompromisse einzugehen in Bezug auf ihre Philosophie. Genau das ist auch mein Ziel, ich möchte kontinuierlich wachsen, ohne mich dabei zu verleugnen. Natürlich wird das irgendwann dazu führen, dass ich gewisse Abläufe zum Teil delegieren muss, denn zur Zeit wird immer noch das ganze Sortiment in Handarbeit hergestellt und auch die Etikettierung und der Versand erfolgt über das Soapwalla-Team.

Aufgrund der grossen Nachfrage produziere ich aber schon seit längerer Zeit nicht mehr in unserer Küche, sondern in einem Studio in Brooklyn, wo ich auch neue Produkte für das Sortiment von Soapwalla entwickle.

Die Inspiration dazu kommt einerseits von meinen eigenen Bedürfnissen und andererseits spielen auch die Feedbacks der Kundschaft eine grosse Rolle. Ein gutes Beispiel dafür sind die neuen Soapwalla-Deodorants mit Lavendel respektive Zitrone, die auf Wunsch unserer Kundinnen und Kunden ohne Backpulver auskommen, weil dieser Wirkstoff zu Reizungen führen kann.

 

 

Manchmal braucht es über 2000 Versuche, bis ich wirklich zufrieden bin mit einem Produkt für Soapwalla. Das geht bisweilen echt an die Substanz und ist aus ökonomischer Perspektive auch nicht immer sehr effizient.

Aber meine innere Perfektionistin lässt schlicht nichts anderes zu.

 

 

Wenn man mich fragt, ob ich rückwirkend etwas anders machen würde, ist meine Antwort ganz klar: nein. Denn durch meine unzähligen Fehler habe ich nicht nur Rückschläge erlitten, sondern vor allem viel gelernt. All das hat mich weitergebacht, fachlich wie auch menschlich und darum möchte ich keinen Moment davon missen.