Es war ein Geburtstags-Geschenk mit Ansage: Pilates in Paris, auf dem Reformer. Das Kind war überzeugt, das sei genau mein Ding. Ich hingegen fand: Wenn es unbedingt sein muss, kann man das ja mal machen. Fünf Minuten später lag ich auf einem Gerät irgendwo zwischen Daybed und stylischem Folterkasten – ohne Erwartungen, dafür mit sehr hohem Fluchtimpuls. Beides ging aber schon kurz darauf komplett vergessen bei meinem Versuch, mein Becken zu aktivieren, die zitternden Beinmuskeln in den Griff zu bekommen und dabei irgendwie meine Würde zu wahren. Nichts davon funktionierte und trotzdem verliess ich das Studio mit einem seligen Lächeln auf dem Gesicht.

Was damals vor drei Jahren als Experiment begann, ist inzwischen fester Bestandteil meines Alltags. Ich gehe regelmässig ins Reformer-Training, wähle fast immer auf Anhieb die richtigen Federn und kenne die Namen der wichtigsten Muskeln, von denen einige tatsächlich an Umfang gewonnen haben. Meine Verwandlung von der Skeptikerin zur Pilates-Wiederholungstäterin – mittlerweile buche ich auch mal «Pilates & Weights» oder «Pilates Barre» – liegt aber nicht nur am sichtbaren Erfolg des Trainings, sondern vor allem am wirklich hohen Spassfaktor dieser Sportart.

Dass ich dabei in bester Gesellschaft bin, zeigt unter anderem die steigende Anzahl von Studios mit entsprechendem Angebot. Auch in den Feeds der Sozialen Medien tummeln sich unzählige Videos von scheinbar mühelosen Bewegungsabläufen, perfekt ausgeleuchtet im Alo-Yoga-Set und dem obligatorischen Stanley Cup daneben. Bei so viel inszenierter Perfektion kommt es darum schnell vor, dass man sich vergleicht und unter Druck setzen lässt: Ein typischer Anfängerfehler, wie Bewegungscoach und Pilates-Expertin Leela Domeniconi sagt: «Solche Videos vermitteln ein Bild von Pilates, das mit der Realität nichts zu tun hat. Gute Studios sind Safe Spaces für alle.» Bei Pilates gehe es nicht um die optimale Silhouette, sondern gelebte Selbstfürsorge, bestätigt Dijana Vasiljevic, Pilates-Expertin und Begründerin des Studio Move in Zürich: «Wer sich bewegt, um sich selbst etwas Gutes zu tun, hat bereits vieles sehr richtig gemacht.»

Die häufigsten Pilates-Fehler – und was du stattdessen tun solltest. Mit Tipps von zwei erfahrenen Trainerinnen für mehr Effekt, mehr Kontrolle und mehr Freude beim Training. #Pilates #FitnessTipps
Dijana Vasiljevic in ihrem Studio
Die häufigsten Pilates-Fehler – und was du stattdessen tun solltest. Mit Tipps von zwei erfahrenen Trainerinnen für mehr Effekt, mehr Kontrolle und mehr Freude beim Training. #Pilates #FitnessTipps
Leela Domeniconi

Dennoch passieren aber selbst in einem solchen «you do you»-Universum gewisse Dinge auf der Matte oder dem Reformer, von denen sich die beiden Pilates-Profis wünschten, sie könnten die Stop-Taste drücken. Ich habe darum Leela und Dijana nach den häufigsten Fehlern beim Pilates gefragt und wie sich diese vermeiden lassen. Das Ergebnis ist eine kleine Pilates-Bedienungsanleitung für alle, die noch mehr aus ihrem Training herausholen wollen: ohne Perfektionsdruck, aber mit grossem Effekt.

Die häufigsten Pilates-Fehler – und was du stattdessen tun solltest. Mit Tipps von zwei erfahrenen Trainerinnen für mehr Effekt, mehr Kontrolle und mehr Freude beim Training. #Pilates #FitnessTipps

Was man beim Pilates falsch machen kann – und wie es besser geht

1. Falsche Atmung

Pilates ohne korrekte Atmung ist wie Espresso ohne Koffein: irgendwie sinnlos. Dabei ist gemäss Leela D. die Atmung «die Grundvoraussetzung für eine saubere und effiziente Ausführung jeder Übung». Besonders die sogenannte Flankenatmung sei zentral, um das Powerhouse zu aktivieren. Dijana ergänzt: «Viele halten bei Anstrengung die Luft an oder atmen flach in die Brust, was den Energiefluss unterbricht.»

Was hilft:

«Am besten fokussiert man sich zu Beginn der Session ganz bewusst auf die Atmung», empfiehlt Dijana. «Dabei den Atem tief in den Bauch fliessen lassen, den Bauchnabel beim Ausatmen leicht nach innen ziehen, den Beckenboden sanft mitnehmen.» Danach fühlt sich selbst ein Hüftkreis ganz anders an und als zusätzlicher Pluspunkt wird bei der richtigen Atmung das Nervensystem automatisch reguliert.

2. Zu viel Spannung im Nacken

Kaum beginnt die Übung, sitzen die Schultern da, wo eigentlich nur Ohrringe – okay, im Winter vielleicht noch Ohrwärmer – hingehören. Die Folgen: Ein verspannter Nacken, angespannter Kiefer und ein Flow so abgehackt wie ein Telegramm. «Viele ziehen die Schultern automatisch hoch, weil sie zu viel Spannung in der oberen Körperhälfte aufbauen», sagt Leela über diesen weit verbreiteten Fehler.

Was hilft:

Weniger Ehrgeiz, mehr Bewusstsein. «Immer die Schultern bewusst nach unten ziehen, den Nacken lang lassen», ist Leela’s Rat. Wer will, kann sich bildlich vorstellen, wie die Schulterblätter wie zwei warme Butterstücke langsam in Richtung Hüfte gleiten.

„Lieber weniger Widerstand und dafür eine stabile, neutrale Wirbelsäule“

3. Tempo statt Kontrolle

Immer wieder beobachtet Leela, dass ihre Schüler:innen auf dem Reformer herumfahren als wären sie auf einem E-Trottinett unterwegs zur Arbeit. Also: Ziemlich zackig. Zu schnelles Arbeiten führt aber nach Angaben der Expertin oft zu Nachlässigkeit. «Werden die Bewegungen zu schnell ausgeführt, verlieren sie an Präzision», erklärt Leela. Langsamkeit hingegen fordert mehr Muskulatur und Konzentration.

Was hilft:

Statt mit Schwung durch die Übung zu turnen wie auf einer Hüpfburg am Kindergeburtstag, sollte jede Bewegung bewusst eingeleitet, geführt und beendet werden, als gleite man durch Wasser. Das Brennen der Muskeln dabei spricht für sich.

Die häufigsten Pilates-Fehler – und was du stattdessen tun solltest. Mit Tipps von zwei erfahrenen Trainerinnen für mehr Effekt, mehr Kontrolle und mehr Freude beim Training. #Pilates #FitnessTipps

4. Zu viel Widerstand

Mehr Federwiderstand bedeutet nicht automatisch mehr Trainingseffekt. Im Gegenteil: Wer überlädt, verliert die Kontrolle und oft auch die saubere Haltung. «Lieber weniger Widerstand und dafür eine stabile, neutrale Wirbelsäule», rät Dijana. «Sonst trainiert man an der Wirkung vorbei und erhöht das Verletzungsrisiko.»

Was hilft:
Das Ego bleibt draussen, Qualität geht vor Intensität. Der Reformer darf fordern, aber nicht überfordern. Leela betont: «Gute Trainer:innen ermutigen immer dazu, die Einstellungen individuell anzupassen.»

Die häufigsten Pilates-Fehler – und was du stattdessen tun solltest. Mit Tipps von zwei erfahrenen Trainerinnen für mehr Effekt, mehr Kontrolle und mehr Freude beim Training. #Pilates #FitnessTipps

5. Fehlende Core-Spannung

«Ohne Core keine Kontrolle» lautet das Mantra im Pilates. «Eine Grundspannung im Bauch ist essenziell», bestätigt Dijana. «Nur so kann man das Powerhouse wirklich stabilisieren. »

Wer hingegen die Rumpfmuskulatur nicht aktiviert – etwa bei zu hohem Widerstand –, landet fast automatisch im Hohlkreuz. Und das merkt man nicht nur in der Lendenwirbelsäule, sondern meist auch am nächsten Tag beim Schuhe binden.

Was hilft:

Bereits vor der ersten Bewegung den Core aktivieren und diese Grundspannung während des kompletten Trainings halten. Auf diese Weise lässt sich nicht nur die korrekte Haltung sichern, sondern ganz nebenbei werden die tiefen Bauchmuskeln gestärkt und geformt. «Diese Basis verändert alles, selbst bei einfachen Übungen», verspricht Dijana.

„Gute Pilates-Anleitungen brauchen Raum, nicht nur physisch, sondern auch im wörtlichen Sinn“

6. Kein mentaler Fokus

Der Körper ist im Studio, der Kopf aber immer noch bei der Einkaufsliste. Oder der anstehenden Steuererklärung. Oder der Frage, was es morgen zum Mittagessen geben soll. Doch was auf dem Laufband ohne Folgen bleibt, schmälert beim Pilates deutlich die Wirkung, sagt Dijana: «Bewegungen werden oft einfach gemacht, ohne dass man sich gezielt auf die Muskelgruppe fokussiert». Dadurch verliere die Übung an Effekt, so die Pilates-Trainerin. «In meinem Studio beginnt jede Stunde mit zwei bis drei Minuten Breathwork, um im Raum und im Körper anzukommen.»

Was hilft:

Vor Beginn der Stunde das Handy weglegen, zwei Minuten ruhig sitzen und den Atem beobachten. Erst wenn Kopf und Körper im gleichen Raum sind, wird die Lektion zu einem ganzheitlichen Erfolgserlebnis.

7. Am falschen Ort gespart

Nicht jeder Fehler passiert auf der Matte. Manchmal beginnt er schon mit der Wahl des Studios. Wer nämlich rein nach Preis oder Location entscheidet, landet schnell in überfüllten Klassen mit wenig(er) persönlicher Betreuung.

Was hilft:

Die Gruppengrösse hinterfragen. «Ich empfehle Gruppen unter dreizehn Personen. Pilates lebt von präzisem Feedback», sagt Leela. Das klinge zwar willkürlich, mache aber aus Erfahrung einen grossen Unterschied. «Gute Anleitung braucht Raum, nicht nur physisch, sondern auch im wörtlichen Sinn.» Oder anders gesagt: Guter Unterricht ist wie ein perfekt sitzendes Outfit – nicht immer günstig, aber dafür nachhaltig.

Die häufigsten Pilates-Fehler – und was du stattdessen tun solltest. Mit Tipps von zwei erfahrenen Trainerinnen für mehr Effekt, mehr Kontrolle und mehr Freude beim Training. #Pilates #FitnessTipps